„Überraschen sollte die Spitzelaffäre eigentlich niemanden. Die engen Beziehungen der Ditib zur Türkei sind kein Geheimnis.“

Dass Niedersachsens Landesregierung über einen Vertrag mit den Muslimen auch mit der Ditib verhandelt, ist erst einmal verständlich. Mit etwa 150 000 Mitgliedern ist die Ditib der größte Islam-Verband in Deutschland. Nun musste die Ditib einräumen, dass einige ihrer Imame als Spitzel für die türkische Regierung gearbeitet haben. Überraschen sollte das eigentlich niemanden, auch nicht die niedersächsische Landesregierung. Die engen Beziehungen der Ditib zur Türkei sind kein Geheimnis. Ihre Abhängigkeit von der vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebauten und gestärkten türkischen Religionsbehörde Diyanet ist in der Satzung verankert.

Erdogan nutzt Diyanet für seine zunehmend islamistische Religionspolitik – auch im Ausland. Auch wenn die Landesregierung der Ditib einen „Islam der Mitte“ bescheinigt, wirft spätestens die Spitzel-Affäre die berechtigte Frage auf, ob hier nicht am Ende ein Vertrag mit getarnten Vertretern der türkischen Regierung ausgehandelt wird.

Doch das Problem geht über Erdogans Einflussnahme hinaus. Auch der sich bei jeder Gelegenheit in den Vordergrund drängende Zentralrat der Muslime hat zwar 21 Mitgliederorganisationen, vertritt aber gerade einmal rund 10 000 von fast fünf Millionen Muslimen in Deutschland. Was also ist der „Islam der Mitte“, und wer vertritt seine Anhänger? Die Islam-Verbände jedenfalls nicht.