„Die Elbphilharmonie setzt auch ein Ausrufezeichen gegen die Berliner Kulturdominanz.“

Plötzlich herrscht nur noch Begeisterung. Elbphilharmonie, schönes Göttergebäude. Hamburg hat nun einen der spektakulärsten Musentempel und den perfektesten Konzertsaal der Welt. Und in Deutschland wurde endlich wieder ein architektonisches Ausrufezeichen gesetzt. Nicht nur in China und Dubai können Visionen verwirklicht werden, sondern auch im Mutterland der Bedenkenträger. Eine Kulturnation bekommt vielleicht keinen Großflughafen hin, aber ein Konzerthaus der Superlative.

Die Elbphilharmonie setzt auch ein Zeichen für den Föderalismus. Mehr und mehr hat Berlin begonnen, die anderen Metropolen zu überstrahlen. Die größten Kulturinvestitionen, Festivals, Medienunternehmen gingen in die Hauptstadt, die mit ständig steigendem Abstand auch das geistig-kulturelle Zentrum des Landes bildet. Hamburg macht mit der Elbphilharmonie deutlich, dass es auch künftig mehr sein will als das Tor zur Berliner Hinterwelt.

All das ist gut. Einerseits. Andererseits ist und bleibt die Elbphilharmonie auch ein Skandal. Zwar betont Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, wie urdemokratisch das Edelkonzerthaus im Grunde sei. Auch die günstigen Plätze sind dank der ausgefeilten Architektur nicht viel weiter von der Bühne entfernt als die teuersten. Jedes Schulkind soll die Elbphilharmonie einmal erleben. Doch dieser Prachtbau der Hochkultur hat eine Dreiviertelmilliarde Euro an Steuergeldern verschlungen. In kein Jugendkulturzentrum wird nur annähernd ein Fünfzigstel der Summe investiert.

Auch andernorts sitzt das Geld für große Kultur locker. 300 Millionen Euro fließen in die Sanierung der Berliner Staatsoper. Eine halbe Milliarde wird das Humboldt-Kulturforum kosten – für das bezeichnenderweise ein Schloss wiedererbaut wird. An die Elbphilharmonie schmiegen sich ein Nobelhotel und Luxusappartements. Leuchttürme demokratischer Kultur sehen anders aus.