„Viel zu spät haben die Staats- und Regierungschefs überlegt, welche Oppositionskräfte sie in Syrien unterstützen wollen.“

Es ist erschütternd, mit welcher Gleichgültigkeit die Staatengemeinschaft das Sterben in der syrischen Stadt Aleppo zur Kenntnis nimmt. Menschen werden niedergemetzelt, Krankenhäuser und Schulen zerbombt. Und was passiert? Kontaktgruppen der Außenminister tagen, Gipfeltreffen finden statt. Es hagelt Appelle und Mahnungen. Mehr nicht.

Doch nicht nur die Politik hat im Syrien-Konflikt versagt. Auch die internationale Öffentlichkeit duckt sich weg. Als die Freihandelsabkommen mit Amerika (TTIP) und Kanada (Ceta) zur Debatte standen, gingen allein in Deutschland Hunderttausende auf die Straße. Ganz zu schweigen von den Massendemonstrationen gegen den Nato-Nachrüstungsbeschluss Anfang der 80er- Jahre. Heute verirrt sich gerade mal ein Grüppchen von wenigen Hundert Menschen zum Protest.

Gewiss: Das Drama von Aleppo hat zu einem gewichtigen Teil mit der Machtpolitik von Kremlchef Wladimir Putin zu tun. Er nutzt die Militärintervention in Syrien, um sein von der Wirtschaftskrise gebeuteltes Land wieder zurück auf die Weltbühne zu hieven.

Aber auch der Westen hat versagt. Viel zu spät haben die Staats- und Regierungschefs überlegt, welche Oppositionskräfte sie in Syrien unterstützen wollen. Weil die säkularen Gruppen am Ende geschwächt waren, blieben nur islamistische Verbände übrig. Keine glaubwürdigen Bundesgenossen.

Doch es war nicht nur Planlosigkeit, es fehlte auch die große politische Geste. Mitten in der humanitären Katastrophe im Bosnienkrieg 1992 flog Frankreichs Präsident François Mitterrand in die belagerte Stadt Sarajevo und forderte lautstark: „Das Massaker muss aufhören.“

Derlei öffentlichkeitswirksame Aktionen gibt es heute nicht. Deswegen ist Aleppo nicht nur ein Schandfleck für Russland und seine Allianzpartner, sondern auch für den Westen.