„Statt Millionen Selfies das eine Selbstporträt – nicht nur Selbstdarstellung, sondern Selbsterforschung.“

Nun aber hin. Man begann schon, es nicht mehr zu vermissen, aber mit dem furiosen Eröffnungsschlag hat sich das Herzog-Anton-Ulrich-Museum nach sieben Jahren Sanierung eindrucksvoll wieder ins regionale Kunstgeschehen katapultiert. Und ins internationale – denn da spielt es nicht nur im ständigen Austausch kostbarer Gemälde stets mit.

Die freche bundesweite Werbekampagne mit dem Apfel der Verführung, der Lust macht auf die kunstvolle Nacktheit der Verführten in Palma Vecchios „Adam und Eva“, dürfte Wirkung zeigen. Sie zeigt den richtigen Ansatz, die ehrwürdige Kunst so wissenschaftlich gut gepflegt wie nötig, aber so öffentlichkeitswirksam sexy wie möglich an die Menschen zu bringen. „Bilder haben einen Körper“, betonte Festredner Bernhard Maaz am Sonnabend.

Da kann man auf den Displays noch so viel wischen, die wirklichen Farben, ihren manchmal pastosen Auftrag, die aus wechselnder Betrachterperspektive sich ändernden Lichtwirkungen, ja auch die sorgsam kaschierten Reparaturen bekommt man nur direkt vor dem Original mit. Nur vor Ort entfaltet ein Gemälde seine Aura, ein Majolikateller seinen unreproduzierbaren Glanz.

Und nur hier gibt es die Blickachsen, die von den Kuratoren klug überlegte Nachbarschaft, die das Werk in neue Zusammenhänge stellen. Da laufen wir in Braunschweig zentral zu auf Rembrandts „Familienbildnis“, entdecken in den Seitenachsen aber auch die Verführung bei Vermeers „Mädchen mit dem Weinglas“ und die aggressive Entrückung bei Rubens’ „Judith“. Lebensthemen. Statt Millionen Selfies das eine Selbstporträt – nicht nur Selbstdarstellung, sondern Selbsterforschung. So kann Kunst nachdenklich machen.

Geschichte und Geschichten regen zum Vergleich an. Wenn sie spannend erzählt werden, auch mittels moderner Medien, führt das Erfolgserlebnis beim Wiedererkennen zu Selbstbewusstsein und verankert jeden Schüler und Bürger mit in der Bildungstradition, die nicht mehr Last ist, sondern Lust macht. Geht selber gucken!