„Dass Gabriel nun dennoch Steinmeier ins Spiel bringt, hat taktische Gründe.“

Wenn die Bürger den nächsten Bundespräsidenten direkt wählen könnten, hieße das Staatsoberhaupt wahrscheinlich Frank-Walter Steinmeier. Der Außenminister ist nach allen Umfragen der Favorit der Deutschen – er gilt trotz seines SPD-Parteibuchs als überparteilich und als kluger Redner obendrein. SPD-Chef Gabriel ist sich also breiter Zustimmung gewiss, wenn er den Genossen nun als Kandidaten für das Präsidentenamt empfiehlt. Aber warum meldet sich der Vorsitzende erst jetzt, nachdem er – vergeblich – der Theologin Käßmann die Kandidatur antrug? Ist Steinmeier nur der Ersatz für die umstrittene Kirchenfrau? Sicher nicht. Der Parteichef weiß genau, dass der Außenminister keine Chance auf das höchste Amt im Staate hat. Die Union wird ihn aus parteipolitischen Gründen nicht mitwählen.

Als rot-rot-grüner Kandidat andererseits taugt der Außenminister nicht, weil die Linkspartei längst signalisiert hat, dass sie den Sozialdemokraten auf keinen Fall unterstützt. Für sie betreibt Steinmeier jene militarisierte Außenpolitik, die die Linke doch gerade bekämpft. Beliebt und chancenlos: Bislang wollte die SPD-Spitze dem prominenten Genossen eine solche Debatte ersparen. Dass Gabriel nun dennoch Steinmeier ins Spiel bringt, hat taktische Gründe: Die Suche nach einem überparteilichen Kandidaten, den Union, SPD und idealerweise die Grünen gemeinsam tragen, kommt nicht voran.

Dass es so holprig läuft, liegt an den schwierigen Mehrheitsverhältnissen in der Bundesversammlung. Außerdem liegt es am alarmierenden Umstand, dass honorige Persönlichkeiten den Ruf ins höchste Staatsamt nicht mehr als größte Ehre betrachten, sondern dankend absagen.

Die Suche nach einem Koalitionskandidaten geht also weiter. Und Steinmeier? Wenn er 2017 nach neuen Herausforderungen sucht, könnte er einfach bei Gabriel nachfragen: Der Job des SPD-Kanzlerkandidaten ist noch vakant – auch da ist Steinmeier nach allen Umfragen der Favorit der Bundesbürger.