„Diese Region ist ein Kraftwerk derForschung. Rosettas Ende belegt, warum sie an ihrer Außendarstellung arbeiten sollte.“

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„Von des Lebens Gütern allen ist der Ruhm das höchste doch. Wenn der Leib in Staub zerfallen, lebt der große Name noch.“
Friedrich Schiller, „Das Siegesfest“

Rosettas Mission endete mit einem Knall. Seit dem 2. März 2004 war sie durch die Weiten des Alls gerast. Vor zwei Jahren setzte sie, nach Milliarden Kilometern, den Lander Philae auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko ab. Gestern Mittag schlug sie selbst dort auf. Rosettas Flug ist einer der großartigsten Beweise der Ingenieurskunst überhaupt. Die Wissenschaft verdankt ihrer Reise Hinweise auf die Entstehung unseres Sonnensystems. Mit Rosettas und Philaes Hilfe fanden die Forscher heraus, dass der Komet fluffig ist, also möglicherweise nicht durch harten Zusammenprall, sondern eher durch Anlagerung entstanden sein könnte. Und auf dem Kometen fanden sich elementare Lebensbausteine. Es gibt Hinweise, dass diese Bausteine des Lebens überall im All anzutreffen sein könnten.

Ein Viertel der Maschine, die diesen Erfolg auf der Langstrecke ermöglichte, kommt aus Braunschweig. DLR-Chef Professor Joachim Block etwa widmete dieser Mission 22 Jahre – ein Lebenswerk. In den zahlreichen, durchaus kenntnisreichen Berichten zu Rosettas Gloria kommt Braunschweig aber gar nicht oder nur am Rande vor. Viele Fachjournalisten brechen die Komplexität ihrer Themen durch eine zugespitzte Erzählstruktur. Das macht die Geschichten erstklassig lesbar, lässt aber wenig Raum für Details der Interaktion großer Wissenschaftskonglomerate – auch wenn sie solche Missionen erst ermöglicht.

So wird Rosettas Ende zum besten Beispiel, warum die Forschungsregion Braunschweig gut beraten ist, an ihrer Außendarstellung zu arbeiten. TU-Präsident Jürgen Hesselbach formuliert das so: „Wir müssen unbescheidener werden.“ Der Parlamentarische Abend im Tipi am Kanzleramt setzte am Donnerstag beachtliche Merkposten. Von der Weltraumtechnik bis zum autonomen, sich selbst navigierenden Fahrzeug, das Blocks Kollege Professor Karsten Lemmer am Institut für Verkehrssystemtechnik auf Weltniveau vorantreibt, von der Grundlagenforschung an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt bis zur Forschung und Entwicklung an den mobilitätsbezogenen Instituten der Technischen Universität Braunschweig und durch die F&E-Koryphäen bei Volkswagen, von der Infektionsforschung am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum bis zur Rückeroberung wertvollen Materials aus unseren Abfallbergen, die man an der TU in Clausthal-Zellerfeld ermöglicht: Diese Region ist ein Kraftwerk der Forschung.

Moderatorin Nina Ruge, gebürtige Braunschweigerin, die mit Oberbürgermeister Ulrich Markurth den Jahrgang teilt, brachte diese Botschaft mit Hilfe ihrer Gesprächspartner sehr konzentriert über die Rampe. Markurth hatte als Aufsichtsratsvorsitzender der Allianz für die Region einen optimistischen Grundton gesetzt, auf die endlich gelungene Bündelung der Kräfte und deren Wirkung verwiesen. Der erreichbar erscheinende Weiterbau der Autobahn 39 und der Erfolg beim zweigleisigen Ausbau der Weddeler Schleife haben damit
zu tun.

Der Landesbeauftragte Matthias Wunderling-Weilbier berichtete über die Fördermöglichkeiten in Südostniedersachsen, Block lobte die Forschungsqualität der Region, TU-Präsident Jürgen Hesselbach und Thomas Schmall, Vorstand bei Volkswagen für den Geschäftsbereich Komponente, skizzierten Projekte, die die Mobilität der Zukunft prägen werden. Das autonome Fahren gehört dazu, die Batterietechnik auch. Und die Bundesministerin für Bildung und Forschung gab dem Abend Glanz. Johanna Wanka, seit ihrer Zeit als Landesministerin in Niedersachsen ein Fan der hiesigen Forschungslandschaft, attestierte dieser Region beste Entwicklungschancen. Die Gastgeber konnten mit dieser Botschaft mehr als zufrieden sein – es waren neben der Allianz für die Region beide Industrie- und Handelskammern, deren Präsidenten Helmut Streiff und Olaf Kahle ein ermutigendes Bild der Eintracht abgaben.

Der Parlamentarische Abend hätte Bundestagsabgeordneten zeigen können, warum sich ein Einsatz für die Projekte lohnt. Es waren aber nur wenige da. Der Austragungsort liegt zwar nahe am Reichstagsgebäude, aber was hilft es, wenn man sich einen Donnerstag herauspickt – der Tag der namentlichen Abstimmungen, denen kein MdB fern bleiben darf?

Unter diesen Vorzeichen blieb es ein Abend der regionalen Selbstvergewisserung und der Kontaktpflege. Auch das war wertvoll – und Luft nach oben hat man ja immer. Dass allerdings die aus Braunschweig stammende Landesforschungsministerin Gabriele Heinen-Kljajic fehlte, setzt nach den Vorgängen um die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und das Forschungszentrum Paläon ein weiteres Fragezeichen. Sie habe bereits ihre Teilnahme an einer internationalen Denkmalpflegetagung im Wendland zugesagt gehabt, hieß es in ihrem Büro – aber dort ließ sie sich vertreten. Wo sie war, blieb ein Geheimnis.

Parteifreunde der Grünen-Politikerin, darunter die Bundesvorsitzende Simone Peter, forderten diese Woche ein Verbot der Neuzulassung von Fahrzeugen mit Benzin- und Dieselmotoren ab dem Jahr 2030.
Das solle Anreize setzen, erklärte Peter. Aus Sicht unserer Region ist – bei allem optimistischen Glauben an Zukunftstechnologien – festzustellen: Es wäre ein Anschlag auf die Autoindustrie und damit ein Arbeitsplatz-Abbauprogramm katastrophalen Ausmaßes. Man hätte die Braunschweiger Ministerin an diesem Abend gerne nach ihrer Position zu diesem Plan gefragt.