Redakteur Andre Dolle
Redakteur Andre Dolle

Es war der erklärte Wille zu mehr Steuergerechtigkeit, der die Kirchenvorderen in Deutschland dazu veranlasst hat, sich für eine Änderung des Steuerrechts einzusetzen. Die Kirchenvertreter handelten dabei wohl ganz im Sinne von Papst Franziskus, der in Interviews bereits Kapitalismuskritik im Stile der Linken geäußert hat.

Es ist auch schwer zu erklären, dass die Kirchensteuer bei Löhnen und Gehältern voll zuschlägt, bei Erträgen aus Zinsen und Aktiengewinnen aber bisher nicht. Mit Steuergerechtigkeit hat das wahrlich nichts zu tun.

Die Kirchen haben aber offenbar die Stimmung im Land völlig falsch eingeschätzt. Die Tebartz-van-Elst-Affäre und damit die mutmaßliche Verschwendungssucht der Kirche oder die Missbrauchsfälle in den Kirchen stecken immer noch tief im Bewusstsein der Menschen. Das neue Einzugsverfahren durch die Banken ist für viele offenbar nur noch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Wer noch einen Grund gesucht hat, um der Kirche den Rücken zu kehren, mag sich bestärkt fühlen.

Viele andere waren offensichtlich einfach schlecht informiert – von den Banken und natürlich den Kirchen selbst. Vielleicht war es ihnen auch einfach zu lästig, sich selbst schlau zu machen. Die Quittung erhalten die Kirchen nun in Form einer lange nicht mehr dagewesenen Austrittswelle. Das schmerzt.

Dabei ändert sich für die vom veränderten Steuerrecht Betroffenen de facto nur wenig. Wer 2000 Euro an Erträgen aus Zinsen erzielt, der zahlt darauf 44 Euro Kirchensteuer, von denen er sich auch noch einen Teil vom Fiskus zurückholen kann. Deshalb auszutreten, ist lachhaft.

Es müssen sich alle an die eigene Nase fassen: Kirchen und Banken wegen ihrer Informationspolitik in puncto Gesetzesänderung. Und natürlich die ausgetretenen Christen. Denn die Kirche macht mit der Kirchensteuer viel Gutes. Gefragt sind mehr Steuer-Ehrlichkeit und Solidarität.