Umfragen zeigen: Eine Mehrheit der Deutschen will pflegebedürftigen und demenzkranken Menschen die organisierte Suizidhilfe als Erlösung vom Leiden anbieten. Damit ist für diese Mehrheit der Tod das Angebot, dem Siechen und der Abhängigkeit zu entgehen.

Doch das Ja zur organisierten Suizidhilfe hat mit Menschlichkeit und Würde nichts zu tun. Auch nicht mit Selbstbestimmung und Toleranz. Es ist Diskriminierung aus Gleichgültigkeit oder Angst. Schließlich beginnt die Selbstbestimmung des Menschen ja nicht mit dem Wunsch, sich selbst zu töten.

Eugen Brysch
Eugen Brysch

Warum erkennen wir nicht vielmehr das Recht von 2,5 Millionen Pflegebedürftigen auf Teilhabe am Leben in unserer Gesellschaft an? Teilhabe ist kein Lippenbekenntnis. Sie ist die permanente Herausforderung für die Mehrheit, Gruppen nicht auszugrenzen, sondern zu integrieren. Ohne Angebote der Mehrheit für die Minderheit ist deren Teilhabe unmöglich. Also müssen wir für Wahlmöglichkeiten sorgen. Haben Demenzkranke und Pflegebedürftige Alternativen? Eine Mehrheit ist bereit, den Tod als Wahlmöglichkeit anzubieten. Der Tod ist aber kein Erfolgsmodell für Teilhabe – er beendet die Selbstbestimmung. Und ihn jederzeit verfügbar zu machen, ohne die Pflege zu verbessern, ist reine Diskriminierung.

Damit kommt dem Strafrechtsverbot der geschäftsmäßig vermittelten Selbsttötung eine wichtige Bedeutung zu. Denn nicht der Suizid soll kriminalisiert werden, sondern allein der Tod aus den Gelben Seiten. Auf der anderen Seite schießen in der aktuellen Diskussion einige Regelungsvorschläge über das Ziel hinaus. Nämlich dann, wenn sogar die „Werbung zur Förderung von Selbsttötungen“ bestraft werden soll. Nein, Denk- oder Gesinnungsverbote darf es in dieser wichtigen Auseinandersetzung nicht geben. Der Diskurs soll lebendig bleiben, Argumente müssen überzeugen. Das gilt auch für die Zeit nach einer Entscheidung des Bundestages, die in diesem Jahr zu erwarten ist. Wir brauchen das permanente Ringen um den richtigen Weg.

Das Strafrecht allein wird dem ethischen Thema nicht gerecht. Das Sozialrecht ist gefordert. Mehr Geld ist nicht entscheidend für umfassende, zukunftssichere und genera- tionsgerechte Angebote an pflegebedürftige Menschen.

Wir zahlen jährlich 300 Milliarden Euro für Gesundheit. Davon 80 Prozent für Menschen in den letzten Lebensjahren. Aber nicht für Pflege. Denn wir finanzieren Heilung und bräuchten doch Begleitung. Hier muss die Politik endlich Prioritäten setzen.