Leitartikel.

Gewalt ist die einzige berechenbare Größe im Dauerkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern – wobei es zum Ritual auf beiden Seiten gehört, dem Gegner die alleinige Schuld zuzuweisen.

Nach der gezielten Tötung des Militärchefs der radikalislamischen Hamas durch Israel dürfte der zweite Schritt die Bodenoffensive sein – der Luftalarm in Tel Aviv nach Raketenbeschuss ist in dieser Hinsicht ein Fanal.

Zuletzt war Israel im Dezember 2008 bei der Operation „Gegossenes Blei“ mit Bodentruppen und Luftangriffen gegen die Hamas vorgegangen. Der militärische Nutzen war zweifelhaft, der politische Schaden immens. Als Grund der Intervention wurde der ständige Raketenbeschuss Israels durch Hamas-Kämpfer genannt. Das ist auch jetzt, knapp vier Jahre später, bei der Operation „Säule der Verteidigung“ der Fall. Und man muss davon ausgehen, dass das Ergebnis nicht anders ausfällt.

Welche Motive die Regierung Netanjahu treiben, ist unklar. Es wäre zu kurz gegriffen, wenn man sich auf die Perspektive beschränkte, dass mit den Militäraktionen Entschlossenheit und Härte demonstriert werden sollen – die sich am Wahltag in Prozentpunkten auszahlen. Vieles spricht dafür, dass Netanjahu mit einem Schlag gegen die Hamas das kleinere Übel entscheidend schwächen will, um zugleich das größere, den Iran, zu warnen – zumal US-Präsident Barack Obama eine direkte Konfrontation mit der atomar aufrüstenden Macht ablehnt.

Auf palästinensischer Seite hat das radikale Lager innerhalb der Hamas durch den Arabischen Frühling Auftrieb erhalten. Das vor allem in Folge des Mubarak-Sturzes entstandene Machtvakuum wurde eben nicht nur durch die gemäßigte Muslimbruderschaft in Ägypten gefüllt, sondern es erweitert auch den Spielraum der radikalen Kräfte.

Israels Angriffe und die palästinensischen Raketen-Attacken werden im jeweils anderen Lager nur erreichen, dass der Hass wächst. Damit werden politische Lösungen, die allein die Eskalation stoppen können, abgehakt.