Berlin.

Zu „Steinmeier fordert ein starkes Europa“ vom 15. April:

Komisch, dass Steinmeier der Anfängerfehler eines politischen Novizen unterläuft, die Franzosen mit Blick auf Le Pen vor einer folgenreichen Fehlentscheidung bei der anstehenden Präsidentenwahl zu warnen. Das ist selbst seinem Vorgänger Gauck nicht passiert, der nicht aus der Politik kam, als er das Amt des Bundespräsidenten übernahm. Steinmeier dagegen ist in der Politik schon lange zu Hause und müsste sich als ehemaliger Außenminister besonders gut mit diplomatischen Empfindlichkeiten auskennen. Seltsamerweise ist etwas ähnliches aber auch Merkel bei der letzten französischen Präsidentenwahl 2012 passiert, als sie den Amtsinhaber Sarkozy dem Kandidaten Hollande öffentlich vorzuziehen schien.

Franzosen lassen sich ungern politisch bevormunden oder gar belehren – schon gar nicht von den Deutschen, die es nicht schafften, sich aus eigener Kraft von der Naziherrschaft zu befreien.

Der größte Schwachpunkt in der Politik Le Pens liegt in ihrer Absicht, die EU zu verlassen. Da werden die meisten Franzosen nicht mitspielen. Da sind sie wesentlich realistischer als die Engländer, die mit dem Brexit in eine populistische Falle gerieten.

Auch Steinmeiers Anmerkung zu Nordafrika lässt den Blick auf viel wichtigere Krisenherde der Welt vermissen. Er lobt sich zwar selbst für seine Verdienste um das Iran-Abkommen, erwähnt aber nicht die drohenden humanitären Katastrophen in Syrien, die den Flüchtlingsstrom nicht versiegen lassen. Iran und Saudi-Arabien führen im Jemen einen gnadenlosen Stellvertreterkrieg. Bei dem Krieg im Sudan – Nord gegen Süd – sterben auch täglich Menschen, was aber kaum noch in die Schlagzeilen gerät. Russlands Krieg in der Ukraine findet bei ihm keine Erwähnung.

Eine Vision von der politischen Weiterentwicklung der EU, die ein neuer Bundespräsident doch mal wagen könnte, bleibt dann mit Steinmeier doch wieder nur eine vage Hoffnung.

Klaus Reisdorf, Wolfsburg

Steinmeier warnt vor allen Anti-Europäern

Ebenfalls dazu:

Der Unterzeile in der Samstagszeitung: Steinmeier „warnt indirekt vor der Wahl Marine Le Pens“ muss ich vehement widersprechen.

Erstens weiß er, dass er dies als Präsident nicht darf.

Zweitens hat Herr Steinmeier das in seinem Interview nicht gesagt.

Drittens wäre es – auch das ist ihm geläufig – in der Endphase dieses emotionalen Wahlkampfs in Frankreich fatal, sich als Deutscher einzumischen, der gerade von Le Pen-Wählern als Besserwisser empfunden wird. Deshalb darf man seine Warnung auch nicht so wie geschehen auslegen. Gemeint waren nämlich linke wie rechte Anti-Europäer. Und von den Kandidaten stehen nur Fillon und Macron für die EU.

Gisela Brackhahn, Braunschweig