Ankara.

Alle Leserbriefe beziehen sich auf unsere Berichterstattung über die angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei:

Als Rio Reiser 1986 seinen Hit „König von Deutschland“ sang, war die Welt zwar auch nicht in Ordnung, aber viel sicherer als heute. Es gab den eisernen Vorhang. Alles war geregelt.

Doch dann begann ein Auflösungsprozess, und es kam Herr Gorbatschow. Ein gelehrter Visionär und für mich ein wirklich wahrer Held. Er durchbrach mit seiner Macht das Machtsystem der alten Sowjet-Männer. Er setzte auf Glasnost (Offenheit, Transparenz). Und letztendlich war er derjenige, der sein Land und eben auch Europa vom Kommunismus befreit hat. Das ist jetzt mehr als ein Vierteljahrhundert her. Und es war ein Aufbruch in eine neue Zeit. Heute aber ist nicht mehr viel übrig von dieser Aufbruchsstimmung. Die Menschen haben wieder Angst. Angst geschürt von machtgeilen Parvenüs. Sie unterteilen die Welt in Gut und Böse, und ihre Botschaften sind hohl und flach. Auch Erdogan ist so ein Mensch. Er will König der Türkei werden. Widerstand zwecklos? Nicht ganz. Die Absagen deutscher Kommunalpolitiker machen den Herrscher rasend. Seine Hoheit zückt darauf die Nazikeule und offenbart damit seinen wahren Intellekt. Setzen, sechs, Herr Erdogan!

Karsten Eckelt, Schöningen

Demokratie muss jeden Tag verteidigt werden

Es ist makaber. Deutschland solle sich der Türkei gegenüber benehmen, meint der türkische Außenminister; im Übrigen unterstellt er den Vertretern unseres Landes „faschistisches Vorgehen“. Nun ist auch in Deutschland nicht alles Gold, was glänzt: Auch bei uns muss die Demokratie jeden Tag aufs Neue verteidigt werden, auch gegenüber Begehrlichkeiten „derer da oben“, wie zum Beispiel immer schärfere Sicherheitsgesetze, mit denen unsere Demokratie dann zu Tode geschützt wird. Aber sie wird verteidigt in diesem Land mittels einer freien Presse, freier Meinungsäußerung und im Dialog verschiedener Meinungen – alles Begriffe, die einem Herrn Erdogan anscheinend fremd sind.

Werner Knurr, Hornburg

Erdogan weiß nicht, was Demokratie bedeutet

Wann ist Europa endlich willens und in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen? Wenn alle Länder, in denen türkische Menschen leben und arbeiten, die Aktivitäten vom türkischen Präsidenten in ihren Ländern nicht zulassen und sogar verbieten würden, wäre doch alles geklärt! So müsste sich kein Land rechtfertigen. Erdogan sollte sich mal informieren, was Demokratie bedeutet!

Gisela Blödow, Meine

Urlaubsboykott würde die Türkei beeindrucken

Die geifernden Ausfälle Erdogans und seiner Minister sind unverkennbar Ausdruck einer tatsächlichen Ohnmacht und verzweifelten Angst, nicht nur die Macht im eigenen Land, sondern auch den gewünschten Respekt in Europa und der Nato zu verlieren. Mit gleicher Münze zurückzuzahlen, etwa mit der Retourkutsche „Selber Faschist“ , Redeverbot in Deutschland oder Protesten der Regierung, wäre ein Zeichen eigener Schwäche und überdies wirkungslos. Was das Regime in der Türkei wirklich treffen würde, wäre ein totaler spontaner Boykott der Tausenden von Urlaubern und Touristen, auf die auch der Staat unverzichtbar angewiesen ist. Wenn die Reiseunternehmen die Urlauber und Touristen stattdessen nach Griechenland schicken würden, wäre damit auch diesem Land spürbar geholfen, ohne die Politik oder gar die Diplomatie zu belasten. Jeder, wir, das mandatfreie Volk, kann mehr bewirken als die Regierung, die dadurch nicht minder gestützt wird.

Prof. em. Dr. Ernst-August Roloff, Braunschweig