Berlin.

Zu „Hass und Terror haben keine Religion“ vom 24. Dezember:

„Hass und Terror haben keine Religion“, behauptet Jean-Claude Juncker. Wirklich nicht? Der gute Mann kennt die Bibel nicht.

Denn wer die biblischen Bücher als „wahre“ Aussagen über den Geist Gottes betrachtet, kommt ins Grübeln. Es gibt Passagen, die den vorgeblich gütigen, weisen und gerechten Gott als zornig, böse, rachsüchtig und zerstörerisch darstellen, was Theologen naturgemäß peinlich ist: „Mein Zorn ist gegen sie entbrannt, ich schicke ihnen Feuer auf die Erde, damit alles, was dort wächst, versengt: bis in die Totenwelt soll es sich fressen und auch den Grund der Berge unterhöhlen... Das Schwert soll wüten auf den Straßen, im Hause drinnen soll der Schreck sie töten, den jungen Mann, das junge Mädchen, kleinsten Säugling und den Greis.“ (5. Mose 32, 22 -25). Terror der schlimmsten Sorte!

Doch ist der Gott des Neuen Testaments, der „Friedefürst“, wirklich so viel friedfertiger, freundlicher und vergebender als sein hebräischer Vater? Nur bedingt. Denn im letzten Buch des Kanons, der Johannes-Apokalypse, stößt man auf Passagen wie diese: „Auf mein Volk! Verlasst diese Stadt [gemeint ist Babylon als Chiffre für das imperiale Rom]. Sonst werdet ihr mitschuldig an ihren Sünden und müsst ihre Strafe mit ihr teilen… Ihre Sünden häufen sich bis an den Himmel… Zahlt ihr alles zweifach heim! ... Gebt ihr so viel Schmerzen und Trauer, wie sie sich Glanz und Luxus geleistet hat. [Es] werden an einem einzigen Tag Krankheit, Unglück und Hunger über sie hereinbrechen, und sie wird im Feuer umkommen. Denn Gott, der Herr, hat sie verurteilt.“ (Offenbarung 18, 4-8).

Für derartige Ausbrüche gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten: Entweder sind es (im fundamentalistischen Sinne) „wahre“ Beschreibungen göttlichen Denkens und Handelns, dann ist der Terrorismus-Vorwurf hier nicht von der Hand zu weisen. Oder es sind Ausgeburten perverser Fantasien von Propheten, die (heutigen Terroristen gleich) Gott zur Projektionsfigur ihrer eigenen Aggressivität gegen „Sünder“ machen. Dann sind es Anwandlungen von Gläubigen als Opfer religiösen Wahns. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.

Hartmut Heuermann, Braunschweig