Hannover. Vor dem Hintergrund des Konfliktes in Gaza kommt es vermehrt zu Hetze gegen Juden – vor allem auf Demonstrationen und im Internet. In Göttingen wurde am Wochenende eine israelische Fahne verbrannt.

Eine Zunahme von antisemitischen Hetzparolen bei Demos gegen Israels Militäreinsatz im Gazastreifen beklagt der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen. Bei einer Demo in Göttingen wurde am Wochenende eine israelische Fahne verbrannt. Außerdem leitete die Polizei Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Landfriedensbruch ein, sagte Polizeisprecherin Jasmin Kaatz am Dienstag. Über das Thema soll am Mittwoch auch im Landtag in Hannover beraten werden.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Michael Fürst, sagte: „Wir müssen leider vermehrt feststellen, dass pro-palästinensische Demos in antijüdische und antisemitische Demos umschlagen. Da ist die Polizei gefordert, einzuschreiten und der Störer habhaft zu werden.“ In Hannover gebe es aber bislang keine vermehrten Drohungen gegen jüdischen Gemeinden.

In Osnabrück verständigten sich am Dienstag Juden, Moslems und Christen auf einen gemeinsamen Friedensappell. „Wir sehen uns in der Pflicht, auch in Zeiten dieser Gewalt-Eskalation im Nahen Osten in unserer Friedensstadt Osnabrück im Dialog zu bleiben“, heißt es in der vom Runden Tisch der Religionen herausgegebenen Erklärung. „Der Konflikt dort darf nicht zum Konflikt in unserer Stadt führen.“

Auch in den kommenden Tagen sind weitere Kundgebungen in Niedersachsen angekündigt. In Hannover soll am Freitag erneut in der Innenstadt demonstriert werden.
In Bremen wollen nach Angaben der Polizei am Mittwochnachmittag mehrere Tausend Menschen an einer Kundgebung unter dem Titel „Frieden und Gerechtigkeit für Palästina“ teilnehmen. Dort wurde bereits vor anderthalb Wochen ein Journalist angegriffen, der einen Tumult bei einer Palästinenser-Demo fotografieren wollte. Ein anderer, der ihn möglicherweise schützen wollte, wurde schwer verletzt.

Bereits vergangene Woche hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Höntsch Anzeige wegen Volksverhetzung gegen unbekannte Verfasser einer Hetzmail gestellt, die zahlreiche Politiker in Niedersachsen erhielten. „Das ist widerliche antisemitische Hetze, gegen die man sich wehren muss“, sagte Höntsch.

Hetze auch im Internet

Auch auf der Facebook-Seite des Zentralrats der Juden gehen wegen des israelischen Vorgehens im Gaza-Konflikt zunehmend antisemitische Kommentare ein. Nach Angaben des Zentralrats vom Dienstag gab es zu einem Brief von Zentralrats-Präsident Dieter Graumann innerhalb von wenigen Stunden mehr als 60 Kommentare. Etwa ein Viertel davon sei wegen antisemitischer Äußerungen, Volksverhetzung oder Herabsetzung des Staates Israel gleich wieder gelöscht worden. In besonders schlimmen Fällen werde die Polizei eingeschaltet.

Graumann hatte sich in dem Offenen Brief am Montag über „antisemitische Slogans von übelster und primitivster Natur“ beklagt, die bei Demonstrationen gegen Israels Vorgehen im Gaza-Konflikt skandiert worden seien. „Niemals im Leben hätte ich mir vorgestellt, dass wir so eine Hetze gegen Juden in Deutschland wieder hören könnten.“ Gelöscht werden nach Angaben des Zentralrats zum Beispiel Kommentare, in denen Israel als „Mörderstaat“ bezeichnet wird.

Berliner Polizei zieht Konsequenzen

Die Berliner Polizei hat erste Konsequenzen aus antisemitischen Parolen auf pro-palästinensischen Demonstrationen gegen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen gezogen. Künftig sei die mehrfach skandierte Parole „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf‘ allein“ verboten, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Die Polizei werde einschreiten, falls gegen diese Auflage der Versammlungsbehörde verstoßen werde.

Die Berliner Polizei war kritisiert worden, weil sie diese antisemitische Parole zwar auf einer Demonstration am vergangenen Donnerstag gehört hatte, aber nicht eingeschritten war. Ein Behördensprecher sagte jetzt, bisher habe die Polizei nicht handeln können, weil diese Parole nach einer vorläufigen Einschätzung der Staatsanwaltschaft keine Volksverhetzung darstelle. Die Prüfung laufe aber noch. dpa

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