Debatte des Tages. Beim Festakt im Bundestag betonen Deutschland und Frankreich ihre Gemeinsamkeiten. Sollten Deutschland und Frankreich weiter als Motor der europäischen Einigung vorangehen?

François Hollande war schon am Vortag angereist. In Berlin ging er mit Angela Merkel essen, und es war ein denkwürdiger Abend. Gestern, vor der Presse, wandte sich die Kanzlerin ihrem Gast zu und sagte, „Du hast das Wort“. Du? Tout Berlin horchte auf. Sie hatte ihm das Du angeboten. Was ist nun privat und was politisch? Sei’s drum – es passte zum Anlass. Denn Frankreichs Präsident war nach Deutschland gekommen, um den 50. Jahrestag des Élysée-Vertrages zu zelebrieren, auch eine Verbrüderung.

Hollande war nicht allein in Berlin. Im Reichstag tagten am Nachmittag vier Kammern: der Bundestag und die Nationalversammlung, Bundesrat und Senat, offiziell 1561 Vertreter. Der Plenarsaal war eng bestuhlt wie sonst nur bei einer Präsidentenwahl, und wenn doch noch ein paar Plätze frei blieben, dann nur, weil man auch im Nachbarland mit Schnee und Eis zu kämpfen hatte, einige Abgeordnete verpassten erst ihre Züge und dann die Anschlussflüge nach Deutschland.

Den 40. Jahrestag hatte man in Paris gefeiert. Nun traf man sich in Berlin. Alle Fraktionschefs kamen zu Wort, auch von den kleinsten Gruppen in Paris, von den Radikalen. Aus jedem Beitrag hörte man den guten Willen aus besonderem Anlass heraus. Fast jeder französische Redner quälte sich mit ein paar deutschen Sätzen – und umgekehrt. Gregor Gysi von den linken kann offenbar nicht viel mehr als „Oui“ oder „Merci“. Im Restaurant in Frankreich lässt er seine 15-jährige Tochter bestellen und kommt sich wie ein Dummkopf vor, wie er erzählte.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nahm zu Beginn der Veranstaltung die Schwere, als er die deutsch-französische Verständigung mit einer Beziehung – oh là là – verglich. Es habe Phasen der Leidenschaft und auch der Vernunft gegeben. Derzeit seien sie mehr in einer Phase der „leidenschaftlichen Vernunft“ als in einer Phase der „romantischen Verliebtheit“. Dies müsse aber kein Nachteil sein. Ihre Freundschaft dürfe nicht als „langer ruhiger Weg“ gesehen werden, stimmte Hollande zu und erinnerte an die Gründerväter Konrad Adenauer und Charles de Gaulle vor 50 Jahren. Der Franzose hatte sich damals über eine Zusatz-Erklärung der Deutschen zum Élysée-Vertrag geärgert. Streit gab es also immer.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Hollande und Merkel in der Euro-Krise nicht richtig harmonieren. Aber wie der Präsident der französischen Nationalversammlung, Claude Bartolone, vergaß kaum ein Redner den Hinweis darauf, dass man zum Wohle Europas kooperieren müsse. Beide Länder seien ein „Motor“, und ob der Krise gehe es darum, „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“.

Die Parlamente beschlossen einen Appell an die Jugend. Hollande bedankte sich artig dafür, dass Deutschland dem Nachbar im Mali-Konflikt mit zwei Transportflugzeugen hilft. Mit Logistik, wohlgemerkt, echte Waffenbrüderschaft sieht anders aus.

Die Kanzlerin kündigte eine engere Zusammenarbeit in der Energiepolitik an, besonders bei den erneuerbaren Energien. Sie und Hollande wollen zur Vorbereitung des EU-Rates im Mai gemeinsame Vorschläge für eine engere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit vorlegen. Es brauche „vor allen Dingen Initiativen für einen verbesserten europäischen Arbeitsmarkt“, sagte Merkel. Das hörte Hollande zu gern: „Zwischen uns stimmt die Chemie.“ Zwischen François und Angela.