„Wollen wir uns wirklich so weit erniedrigen,dass wir zu Claqueuren eines Donald Trump werden?“

„Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord.“
William Shakespeare, Romeo und Julia

Kein Krieg – Danke, Mr. President! So erfreulich friedfertig titelte diese Woche eine Boulevardzeitung, die sich sonst gerne die publizistische Knarre umhängt. „Glück gehabt, Mr. President“, wäre aber treffender gewesen. Der Mordanschlag auf General Soleimani entsprang unverantwortlichem Leichtsinn. Mordanschlag? Nichts anderes ist die Tötung des iranischen Generals im Irak, auch wenn oder gerade weil ein westlicher Bündnispartner den Auslöser drückte. Wir wissen nicht, ob Trumps Truppe die Folgen dieser Tat bedacht und, im Wahlkampf ist manches möglich, in Kauf genommen hat. Wäre der iranische Gegenschlag präziser platziert worden, stünde der Persische Golf heute in Flammen.

Und das geht uns an. Braunschweig und Teheran liegen nur 3688 Kilometer entfernt, also innerhalb der Reichweite gängiger Mittelstreckenraketen. Too close for comfort, wie Engländer sagen. Die Interessen Deutschlands leiden unter Trumps Politik schon lange. Der Braunschweiger Geschäftsmann Martin Burghartz, mit einer Iranerin verheiratet und mit dem Land gut bekannt, verweist in einem Brief an unsere Redaktion zurecht auf die lange kulturelle Tradition und die intensiven wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Iran. Trumps Boykott und die drakonischen Sanktionen gegen jeden Verstoß haben beide faktisch gekappt.

Natürlich war Ghassem Soleimani alles andere als ein Friedensstifter. Seine Quds-Brigade ist so etwas wie die schnelle Eingreiftruppe der Destabilisierungsstrategie des Iran. Überall, wo das islamistische Regime Einfluss gewinnen will, organisiert diese Brigade Unruhe und tötet Menschen, im Irak, im Libanon, im Gaza-Streifen, in Syrien, in Afghanistan. Der Sohn eines armen Kleinbauern war ein fanatischer Anhänger der Lehren seines „Gottesstaates“ (den wir schon wegen seines höchst diesseitigen Imperialismus nie mit dem Islam verwechseln sollten). Menschen wie er sind es, die Ausgleich und Versöhnung unmöglich machen, die immer neuen Hass, immer neues Unrecht schaffen. Klug wäre, ihnen die Möglichkeit für ihr zerstörerisches Werk zu nehmen. Man kann sie nicht umlegen wie Westernheld Wyatt Earp den Pferdedieb erledigt hätte – und damit einen weiteren Märtyrer schaffen, von dessen Schicksal sich die Verblendeten angestachelt fühlen.

Leider macht die Politik des US-Präsidenten die Radikalen stärker, sie raubt ausgleichenden Kräften jeden Spielraum. Für die vielen weltoffenen, gerade jungen Menschen in den großen Städten des Iran stirbt damit eine Hoffnung.

Das Atomabkommen mit dem Iran ist ein schlagendes Beispiel. Es hätte trotz mancher Schwächen die Atomkriegsgefahr reduzieren können. Trump fegte es vom Tisch, ohne eine Alternative zu zeigen. Der Einsatz der tödlichen Drohne MQ-9 Reaper, das bedeutet Sensenmann, ist eine Ersatzhandlung. Sie wirkt umso abstoßender, als er sie mit dem Habitus eines Verteidigers des Christentums vertritt. Das passt weder zu Trumps Lebenswandel noch zu seiner Politik. Kreuzritter Donald – also wirklich!

Washington wiederholt unter Trump die Fehler von Vater und Sohn Bush. Ihre Vorstellung, man könne mit kriegerischen Mitteln einen aggressiven Diktator aus der Welt schaffen und anschließend werde automatisch Friede einkehren, war ein folgenreicher Irrtum. Der Aufstieg des IS, das Sterben in Irak und Syrien, die Flüchtlingswelle – sie zeigen, dass man mit Raketen keine Ordnung schafft. Es fehlt der US-Politik die Einsicht in Zusammenhänge, es fehlt ihr der Respekt vor den Wertvorstellungen von Menschen aus anderen Kulturen. Und es fehlt ihr an der Demut und dem Fleiß, ohne die Friedensstiftung nicht gelingen kann.

Europa und Deutschland stehen der amerikanischen Fallbeil-Politik hilflos gegenüber. Beiden kann man kaum zum Vorwurf machen, dass Trump sich erneut nicht um die Meinung seiner Nato-Partner scherte. Kritisch zu kommentieren ist aber die Tatsache, dass weder Europa noch Deutschland es verstanden haben, ihre diplomatischen Möglichkeiten eigenständig zu nutzen und ihre Wirtschaftskraft friedensstiftend einzusetzen.

Gerade der Niedergang der deutschen Außenpolitik ist zutiefst beklagenswert. Wer die kluge Vermittlungsarbeit eines Hans-Dietrich Genscher und die klare Haltung eines Sigmar Gabriel mit dem kakophonen Dilettieren der Minister Heiko Maas und Annegret Kramp-Karrenbauer vergleicht, der mag, von sich selbst überrascht, Sympathien zur Markus-Söder-These entwickeln, die Bundesregierung brauche ein Upgrade.

Dazu passt leider allzu gut, dass Bundesfamilienministerin Franziska Giffey unfähig ist, angemessen mit dem Herauswurf ihres Mannes aus dem Staatsdienst umzugehen. Eine Ministerin, durch Eheschein und Elternschaft mit einem Mann vereint, ist nicht für dessen Stunden- und Dienstreiseabrechnungen verantwortlich. Dennoch darf sie sich nicht fortschleichen. „Zu persönlichen Angelegenheiten von Familienmitgliedern“ äußere sie sich nicht, ließ Giffey erklären – als ginge es um die Parksünde einer Schwippschwägerin aus Pusemuckel. „Eine Beamtin oder ein Beamter wird nur dann aus dem Beamtenverhältnis entfernt,“ schreibt das Bundesinnenministerium, „wenn durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren ist.“ Das ist mehr als „eine persönliche Angelegenheit von Familienmitgliedern“.

„Danke, Mr. President!“ Das kann man eigentlich nur empfinden, wenn man jede Hoffnung verloren hat, dass bessere Politik noch eine Chance habe. Wollen wir uns wirklich so weit erniedrigen, dass wir zu Claqueuren eines Donald Trump werden? Sollten Deutschland und Europa weiter im eigenen Bauchnabel pulen – oder gemeinsam ihrer Verantwortung gerecht werden? Die Antwort ist leicht.