Braunschweig. Professorin Anke Kaysser-Pyzalla schätzt die Zusammenarbeit in der Forschungsregion. Doch sie fordert auch Aufbrüche.

Die Technische Universität Braunschweig ist sehr gut aufgestellt. Unsere Studiengänge sind überdurchschnittlich stark nachgefragt, das Forschungsprofil, das sich die TU in den vergangenen Jahren erarbeitet hat, beginnt, Früchte zu tragen.

Eine große Herausforderung ist und bleibt es, im Wettbewerb mit anderen Universitäten und Forschungseinrichtungen die klügsten Köpfe an uns zu binden.

Die Digitalisierung, die schon jetzt in den Hochschulen ein großes Thema ist, wird Forschung und Lehre wie auch unsere Interaktion mit der Gesellschaft prägen und zum Teil grundsätzlich verändern. Wir werden zum Beispiel neben der klassischen Präsenzlehre Online-Angebote haben – und neben den klassischen Studiengängen zunehmend modularisierte Weiterbildungseinheiten anbieten.

Weitere Aspekte sind für mich :

- Einbindung der Lebensentwürfe und Lebensqualität unserer Studierenden und Mitarbeitenden: familienfreundliche Hochschule, Verbesserung der Aufenthaltsqualität auf dem Campus, Ansprüche auf Mitgestaltung

- mehr Transparenz, gefördert durch die Medialisierung der Gesellschaft (soziale Medien)

- Hochschulen als Faktor im Wettbewerb der Standorte: Die Stakeholder der Region, Wissenschaft, Bildung, Wirtschaft und Kommunen, werden noch weiter zusammenwachsen

- Internationalisierung als Aufgabe und Herausforderung.

Wie haben sich meine Einschätzungen in den letzten zehn Jahren verändert?

Um dies beurteilen zu können, hilft ein Blick in die Bilanz meines Vorgängers, Professor Jürgen Hesselbach. Er hat im Rückblick auf seine Amtszeit auf die immensen Veränderungen hingewiesen, die die TU Braunschweig – wie alle Hochschulen in Deutschland – geprägt haben. Die Studierendenzahl ist bei uns von 12 000 auf 20 000 gestiegen. Das war in diesem Umfang nicht voraussehbar, da die Entwicklung auch politischen Vorgaben und Entscheidungen folgt, etwa den Zielvorgaben des Bundes – und den doppelten Abiturjahrgängen. Eher schon hätte man den Anstieg unserer Drittmittel von knapp 50 auf 80 Millionen Euro voraussehen können, aber auch der hing ab und hängt ab von der finanziellen Ausstattung des Bundes, der wirtschaftlichen Situation in Deutschland und Europa und von politischen Entscheidungen.

Weitere Aspekte sind für mich:

- die hohe Zahl der hochschulrelevanten Änderungen von Gesetzen und Vorgaben, jeweils geprägt durch die Landesregierungen, dann auch durch Bund und EU

- Sanierungsstau (vorhersehbar)

- schwer vorhersehbare Zusatzaufgaben wie die Mitwirkung bei der Ausbildung und Integration von Geflüchteten.

So beurteile ich die Entwicklung der Forschungsregion Braunschweig

Es ist ein herausragender Forschungsstandort mit starken Hochschulen und renommierten Forschungseinrichtungen. An vielen Stellen gibt es eine sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die aber noch weiter ausbaufähig ist. Es herrscht eine Atmosphäre der Wertschätzung und ein konstruktives Klima.

Spätestens seit 2007 ist eine exzellente Vernetzung der TU Braunschweig und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit Wirtschaft und Gesellschaft zu konstatieren.

Mit dem Haus der Wissenschaft profitieren wir von einer festen Adresse für den Dialog mit der Gesellschaft, aber auch für neue, kreative Formate, ungewöhnliche Projekte und neuartige Kooperationen.

Nötige Impulse sind aus meiner Sicht:

- Wissenschaftliche Leuchttürme, die auch internationale Ausstrahlung haben, müssen deutlicher gefördert, aufgebaut und herausgestellt werden

- Wir brauchen verstärktes Marketing unserer wissenschaftlichen Ergebnisse und Möglichkeiten

- Es geht jetzt um neue Anreize für die noch engere Vernetzung der Akteure, wie es der Wettbewerb des Stifterverbands „Stadt der Wissenschaft“ für uns vor 10 Jahren war.