Braunschweig. Professor Peter Burschel spricht über die Historikerzunft.

Historikerinnen und Historiker haben es notorisch mit (der) Zukunft zu tun – mit „vergangener Zukunft“ allerdings, um ein Wort des Geschichtstheoretikers Reinhart Koselleck zu zitieren.

Die Frage ist nur: Sind sie deshalb besonders berufene Prognostiker? Ehrlich gesagt: Ich glaube nicht! Und zwar deshalb, weil meiner Ansicht nach kein direkter (vielleicht noch nicht einmal ein indirekter) Weg von der vergangenen in die noch nicht vergangene Zukunft führt.

Übrigens: Wenn wir einen Weg ausgemacht zu haben glauben, können wir ziemlich sicher sein, uns auf einem Abweg zu befinden.

Dennoch möchte ich als Historiker, Kulturanthropologe und nicht zuletzt Direktor der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel einen Blick in jene noch nicht vergangene Zukunft werfen und eine Prognose wagen: Bibliotheken haben eine Zukunft. Vielleicht nicht als Bücherhäuser im engeren Sinn. Aber doch als „Orte“ von authentifizierbaren Texten – und damit als Orte von Wissenszirkulationen der ganz besonderen Art.

Gewiss, der „library beyond the books“ – so der Buchtitel von Jeffrey Schnapp und Matthew Battles, also „Bibliothek jenseits der Bücher“ – gehört die Zukunft. Da bin ich sicher. Aber das wird keine Bibliothek ohne Bücher sein. Ganz davon abgesehen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass Bibliotheken künftig eine besondere Rolle spielen werden, wenn es um den öffentlichen Diskurs geht. Wo sonst sollte der stattfinden, wenn nicht dort, wo das Wissen kursiert? Und dort, wo es zudem einen Erfahrungsraum hat.

Das hat sich in den letzten zehn Jahren verändert

Da muss ich als Historiker auf meinen Eingangssatz verweisen. Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler dürfen und müssen das aber anders sehen.

So beurteile ich die Entwicklung unserer Forschungsregion

Herrje! Skepsis überwiegt – verbunden mit der Frage, ob und inwieweit geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung und „Regionalität“ überhaupt noch zueinander finden können. Als Kulturwissenschaftler glaube ich nur bedingt an die Zukunft der „Forschungsregion Braunschweig“. Mittel für die Geistes- und Kulturwissenschaften werden eher in andere Forschungslandschaften und andere Hochschulstandorte fließen. Stichwort: Exzellenzinitiative. Aus der Sicht der historischen Sammlungsforschung sieht es aufgrund der dynastischen Sammlungstraditionen in der Region etwas anders aus. Stichwort: Herzog-Anton-Ulrich-Museum. Kann Forschung heute noch regional gedacht und organisiert werden? Wenn ich eng mit einer germanistischen Kollegin an der TU Braunschweig zusammenarbeite – in einem Projekt, das herzlich wenig mit der Region zu tun hat – , dann nicht deshalb, weil sie in der Nähe ist, sondern weil wir gemeinsame Forschungsinteressen haben. Noch einmal: Ich glaube, dass regionale Phantasien in Zukunft nur eine geringe Rolle für die geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung spielen werden.