Braunschweig. Die TU Braunschweig hat einen eigenen Thesenkatalog für die Landtagswahl entwickelt – die Parteien haben geantwortet.

Ein Leser, der sich Klaas Kuhgel nennt, schreibt auf unserem Portal:

Der Wahlomat ist völliger Mist, weil er einem am Schluss eben nicht zeigt, mit welcher Partei man am meisten Übereinstimmungen hat, sondern man zuvor selbst noch mehrere Parteien auswählen muss.

Die Antwort recherchierte Geraldine Oetken

Was darf es sein? Wer noch nicht weiß – oder nur vermutet, wo er am 15. Oktober sein Kreuz für die Landtagswahl setzt, kann sich durch Parteiprogramme wühlen, mit Medienberichten auseinandersetzen oder die eigene Position durch Klicks mit 13 Parteien vergleichen.

„Mit dem Niedersachs-O-Maten möchten wir die Diskussion wieder auf Inhalte lenken.“
„Mit dem Niedersachs-O-Maten möchten wir die Diskussion wieder auf Inhalte lenken.“ © Nils Bandelow, TU Braunschweig

Für die niedersächsische Landtagswahl hat die TU Braunschweig in Kooperation mit den Universitäten in Freiburg und in Düsseldorf erstmals einen Wahl-O-Maten entwickelt, den diesmal Niedersachs-O-Mat getauften Online-Fragebogen.

38 Thesen führt ein Katalog. 13 der 15 zur Wahl stehenden Parteien haben Position dazu bezogen. Der Nutzer kann anklicken, ob er der Aussage zustimmt oder sie ablehnt. Beispiel: „Ladenöffnungszeiten – Geschäfte sollen ihre Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen selbst bestimmen können“. Die Optionen: zustim men, ablehnen oder neutral bleiben.

Hilfe bei der Wahlentscheidung: Der Niedersachs-O-Mat

Das Ziel? „Die Bürger sollen zum Wählen motiviert werden“, sagt Nils Bandelow, Professor für Vergleichende Regierungslehre an der TU, beim Pressegespräch. Aber ganz selbstlos ist die Entwicklung des Fragebogens doch nicht, denn Bandelow erhofft sich Datensätze, die er in der weiteren Forschung auswerten kann.

Während Bandelow sich durch Thesen zu Fracking, Autobahnausbau oder Schulempfehlung klickt, erklärt er, wie sein Team auf die Fragen kam: „Wir haben uns einmal durch die Wahlprogramme gelesen, um zu schauen, auf welche Themen Parteien sich beziehen.“ Im nächsten Schritt hätten die 20 Wissenschaftler, die am Bau des Niedersachs-O-Mats beteiligt waren, einen Blick in die Zeitungen geworfen. Welche Themen sind für die Landtagswahl wichtig? Journalisten wie unser Hannover-Korrespondent Michael Ahlers wurden gefragt, welche Themen im Wahlkampf dominieren. Ahlers sagt: Bildung und innere Sicherheit.

Wahlkampf? „Mit ihren Plakaten setzen die Parteien bis jetzt auf allgemeine Aussagen oder auf Positionen, für die alle stehen“, findet Bandelow. So zum Beispiel bei den Kita-Gebühren: Die wollten alle abschaffen. Deshalb sei so eine These, bei der die Parteien durchweg derselben Meinung sind, wieder aus dem Thesenkatalog herausgeflogen. Es gehe darum, die Parteiprofile unterscheidbar zu machen. „Wer sich tiefergehend mit den Positionen der Parteien auseinandersetzen möchte, kann nach dem Ergebnis schauen, wie die Parteien ihre Aussagen begründen.“ Die Begründungen der 38 Thesen allerdings fallen kurz aus – in ein bis zwei Sätzen. Und manche Parteien, wie die SPD, haben teilweise keine erklärenden Sätze geliefert. Zum Beispiel stehen bei der Frage zu den Studiengebühren fast alle Parteien auf einer Linie – bis auf die AfD wollen sie keine Gebühren einführen. Hinweise zu Langzeitstudiengebühren, die es zur Zeit gibt und 500 Euro pro Semester betragen, erwähnen die Parteien in ihren kurzen Begründungen nicht. Dafür kann der Wähler seine Position mit allen Parteien vergleichen, die beim Thesenvergleich mitgemacht haben – anders als es beim Wahl-O-Maten für die Bundestagswahl der Fall war, den die Bundeszentrale für Politische Bildung entwickelt hat – wie es unser Leser es bemängelt. So kann es auch sein, dass die Tierschutzpartei oder die Freien Wähler ganz oben auf der Liste steht – ob der Nutzer sich mit ihnen vorher befasst hat oder nicht.

Wie nah sich Parteien stehen, konnten Bandelow und sein Team durch ihren Thesenkatalog herausfinden. „Und das verläuft nicht an den klassischen Koalitionslinien.“ So stimmen bei den Grünen und den Linken 81,6 Prozent der Thesen im Niedersachs-O-Maten überein. Eine inhaltliche Nähe gibt es laut der Antworten auch zwischen CDU und AfD mit 73,7 Prozent. Zum Vergleich: Schwarz-Gelb hat eine Übereinstimmung von 65,8 Prozent.

„Mit dem Niedersachs-O-Maten möchten wir die Diskussion wieder auf Inhalte lenken – und weg von den Personen“, sagt Bandelow. Dass das Kreuzchen so stark von Personen abhängt, wie bei der Bundestagswahl von Merkel, halte er für gefährlich.

In den jüngsten Umfragen liegen CDU und SPD Kopf an Kopf. „Das kommt den großen Parteien zu Gute“, glaubt Bandelow. Denn so würden die Wähler strategisch wählen und ihre Stimme lieber SPD oder CDU geben, damit die den Regierungsauftrag erhalten, anstatt sich den kleinen Parteien zuzuwenden. „Wenn die Bürger wählen, sollen sie sich durch ihre Stimme porträtiert fühlen“, sagt Bandelow. Dabei helfe der Niedersachs-O-Mat.

„Wir wollten ein niedrigschwelliges Angebot machen, bei dem der Nutzer noch in kein Wahlprogramm geschaut haben muss“, sagt Bandelow. „Wer sich dann immer noch nicht entscheiden kann, wo er seine Kreuze machen soll, kann einfach den Politikwissenschaftler seiner Wahl anrufen. Der empfiehlt dann was“, scherzt Bandelow und lacht. Dann schüttelt er den Kopf und sagt ernst: „Man muss nicht den Niedersachs-O-Maten machen, um wählen zu können. Wählen sollte man immer gehen. Aber eine gute Diskussion mit den Freunden hilft, wenn man sich unsicher ist.“