Braunschweig. Angaben zu Todesfälle aufgrund von Abgasen sind statistische Schätzungen.

Unser Leser Alfred Schubert aus Braunschweig fragt zum Interview in unserer gestrigen Ausgabe:

Woher weiß Herr Hofreiter, dass „10 000 Menschen durch Stickoxide im Straßenverkehr in Deutschland sterben“?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Kurz und knapp: Er weiß es nicht, denn er kann es gar nicht wissen. Die Aussage des Chefs der Bundestagsfraktion der Grünen, Anton Hofreiter, im Interview mit unserer Zeitung stützt sich auf den Luftqualitätsbericht der Europäischen Umweltagentur. Die berechnet auf Basis von Stickoxid-Messungen im öffentlichen Raum die Belastung der Bevölkerung und leitet davon 10 610 vorzeitige Todesfälle pro Jahr ab.

Allerdings ist bereits die Übertragung der Messwerte auf die tatsächliche Belastung problematisch, weil Stickstoffdioxid-Konzentrationen kleinräumig stark variieren und die Exposition von Verhalten und Gewohnheiten der Menschen abhängig ist.

Darüber hinaus ist ein Wirkzusammenhang zwischen einer höheren Stickstoffdioxid-Belastung und höherer Sterblichkeit wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Zu diesem Ergebnis kam die US-Umweltbehörde EPA nach Auswertung des Forschungsstands im Januar 2016. Demnach gibt es Hinweise, aber keinen Beweis für einen solchen Zusammenhang. So lässt sich unter anderem nicht sagen, ob mögliche gesundheitliche Auswirkungen auf Stickoxide oder andere Stoffe im Abgas zurückzuführen sind.

Die Zahlen der Europäischen Umweltagentur blenden diese wissenschaftliche Unsicherheit aus und interpretieren einen statistischen Zusammenhang als Ursache-Wirkungsbeziehung. Damit suggerieren sie Eindeutigkeit, wo keine ist.