Washington. Der US-Präsident stockt die Truppen am Hindukusch auf und will sich auf die Bekämpfung von Extremisten konzentrieren.

Lange Zeit war darüber gerätselt worden, nun ist es heraus: US-Präsident Donald Trump hat ein stärkeres Engagement der amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan angekündigt. Dabei will er auch die Verbündeten in die Pflicht nehmen. Weitere Kernpunkte: keine zeitliche Befristung des Einsatzes. Mehr Druck auf den Nachbarstaat Pakistan, dem vorgeworfen wird, Terroristen Unterschlupf zu gewähren. Einbindung Indiens als Vermittler. Mehr militärische „Beinfreiheit“ für die US-Soldaten beim Kampf gegen die Taliban. Kein Demokratie-Aufbau, nur noch Terroristenjagd. Bei Details und Zielen blieb Trump, der im Wahlkampf noch den Totalabzug in Aussicht gestellt hatte, vage.

Wie ist die Ausgangsposition?

Der Einsatz in Afghanistan läuft seit Oktober 2001 – eine Konsequenz aus den Terroranschlägen vom 11. September. Die Drahtzieher um Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden agierten aus Afghanistan heraus. Seither sind mehr als 2400 US-Soldaten ums Leben gekommen. Insgesamt starben 150 000 Menschen. Amerika hat bisher über 800 Milliarden Dollar ausgegeben, vorwiegend für militärische Zwecke. Seit dem 2014 eingeleiteten Teilabzug des Westens haben die Taliban große Geländegewinne erzielt. Die afghanische Armee ist trotz immenser Anstrengungen des Westens nicht in der Lage, eigenständig für Sicherheit zu sorgen. Die Regierung in Kabul gilt als zerstritten und korruptionsanfällig. Derzeit stehen 8500 US-Soldaten und knapp 5000 Kräfte anderer Bündnispartner im Land, darunter 1000 Bundeswehrsoldaten. Das Pentagon will in einem ersten Schritt 4000 US-Soldaten zusätzlich schicken.

Was ist neu bei Trump – oder hört sich neu an?

Abzugsdaten für Truppenkontingente, mit denen Trump-Vorgänger Obama zum Leidwesen seiner Generäle agiert hatte, gibt es nicht mehr. Sie nützten nur dem Feind, sagte Trump, „wir wollen unberechenbar sein“. Ausschließlich die Zustände am Boden sollen über die Dauer des Engagements Amerikas entscheiden. Weil Trump die Erfolgskriterien nicht definiert hat, steht das Zeitfenster weit offen. Trump will Pakistan stärker in die Pflicht nehmen. Die Regierung in Islamabad soll diplomatisch und wirtschaftlich gezwungen werden, die Rückzugsräume der Taliban und des global kriminell aktiven Hakkani-Netzwerks in den Grenzregionen zu Afghanistan zu schließen. Die Obama-Regierung hatte, wenn auch nicht so laut und öffentlich, nichts anderes versucht.

Mit wechselhaftem Erfolg. Mal gelangen konzertierte Kommando-Aktionen im unwegsamen Swat-Tal, mal konnten Terroristen aus Pakistan unbehelligt in Kabul zuschlagen. Wie Trump den hochanfälligen Atomstaat zur Räson bringen will, ist Experten „schleierhaft“.

Wie begründet Trump seine Kehrtwende?

Mit der Last und der Verantwortung des Präsidentenamtes. Um zu verhindern, dass Afghanistan wieder vollständig in die Hände von Terroristen fällt und wie vor 2001 ein Sicherheitsrisiko für Amerika wird, habe er seinen Instinkt, der ihm zum Truppenabzug geraten habe, ignoriert und auf die Empfehlungen seiner Top-Militärs gehört. Es soll sich nicht wiederholen, was 2011 nach dem übereilten Rückzug aus dem Irak geschah: der Aufstieg des „Islamischen Staates“ (IS).

Außerdem: Die USA benötigten am Hindukusch ein „ehrenvolles Ergebnis“, das den „gewaltigen Opfern würdig“ sei, die man dort erbracht habe. Ein symbolisch wichtiges Detail: John Kelly, Ex-General und jetzt Stabschef Trumps, hat in Afghanistan einen Sohn verloren. Schon darum, sagen Insider, war ein Totalabzug

illusorisch.

Warum ist der Schwenk für Trump heikel?

Er hatte über Jahre massiv gegen den Krieg Front gemacht, die „Verschwendung“ von Milliardensummen beklagt, die Verantwortlichen in Kabul als „unzuverlässig und undankbar“ gebrandmarkt und den Totalabzug der US-Soldaten gefordert. Mit dieser Linie bestritt er auch den Wahlkampf. Mit der Rolle rückwärts geht der Präsident das Risiko eines fortschreitenden Vertrauensverlustes ein. 60 Prozent der Amerikaner halten ihn schon heute für unglaubwürdig.

Welche offenen Fragen bleiben?

Trump behauptet: „Unser Einsatz ist nicht unbeschränkt, unsere Unterstützung kein Blankoscheck.“ Nachvollziehbare Kriterien für die Erfüllung der pauschal formulierten Ziele („Unsere Feinde angreifen, den IS auslöschen, al-Qaida zerquetschen, die Taliban davon abhalten, Afghanistan zu übernehmen, und Terroranschläge gegen Amerika verhindern, bevor sie geschehen“) nannte Trump nicht. Das gilt auch für seine neue Losung, die auf eine Umwidmung in einen Kampfeinsatz hinausliefe: „Wir bauen nicht wieder eine Nation auf, wir töten Terroristen.“

Für viele Nato-Truppensteller ist die Zeit eines Kampfeinsatzes lange vorbei. Sie konzentrieren sich auf die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte, Hilfen bei der Stabilisierung besonders gefährdeter Regionen und Erhalt und Ausbau ziviler Projekte wie Schulen, Straßen, Dämme und Energieversorgung.