Washington. Amerikas Rechtsextreme berufen sich auf Hilfe von ganz oben: US-Präsident Donald Trump und seinen Chefberater Stephen Bannon.

Unser Leser Marc Röthig aus Königslutter fragt:

Wer wundert sich denn ernsthaft darüber, dass Rechtsextreme in den USA nun lauter werden und auf die Straßen gehen? Da sind die Geister unterwegs, die Trump rief. Diese Menschen sehen sich im Weißen Haus jetzt vertreten ...

Die Antwort recherchierte Dirk Hautkapp

Wahlempfehlungen für das Establishment waren nie die Sache des „Daily Stormer“. Im Oktober machte die klickträchtigste Neonazi-Webseite in den USA eine Ausnahme. „Donald Trump ist bereit zu sagen, was die meisten Amerikaner denken“, schrieben die Rechtsextremisten, nachdem der seit Jahren zwischen Demokraten und Republikanern oszillierende Geschäftsmann massiv gegen illegale Einwanderer und die Einreise von Muslimen zu Felde gezogen war. Der „Stormer“ rief die weiße Bevölkerung auf, „zum ersten Mal in unserem Leben für den einen Mann zu stimmen, der tatsächlich unsere Interessen vertritt“.

Zehn Monate später sitzt Trump im Weißen Haus. Noch immer mobilisiert die Identitätspolitik des Populisten („America First“, Schranken setzen gegen die Globalisierung, Illegale abschieben etc.) das Rechtsaußenspektrum, das nach Schätzungen der Bundespolizei FBI auf „einige Zehntausend Mitglieder“ bauen kann.

Aber nicht nur das. Trump hat in der zersplitterten radikalen Rechten Amerikas mit Dutzenden konkurrierenden Gruppen von „Nationalen Sozialisten“ bis zur „Arischen Bruderschaft“ für flächendeckende Enthemmung gesorgt. „Sieg Heil“-Rufe mit Hitlergruß, Hakenkreuze und andere NS-Devotionalien gehörten auch bei den tödlich geendeten Protesten in Charlottesville zum Standardrepertoire vieler Provokateure, die in Richard Spencer und David Duke zwei Promis in ihren Reihen wussten. Duke war Chef des für Hunderte Lynchmorde an Schwarzen verantwortlichen Ku-Klux-Klan, der heute noch auf rund 8000 Anhänger zählen kann. In Charlottesville erklärte der bekennende Rassist und Antisemit, dass die Bewegung „Trumps Versprechen einlöst – wir holen uns unser Land zurück“.

Dass Trump sich bis heute nicht unmissverständlich von den Ultrarechten distanziert hat, die von Juristen der „Mittäterschaft in einem klaren Fall von Inlandsterrorismus“ beschuldigt werden, hat die Szene als Ermutigung aufgefasst. Duke, Spencer und andere trauen sich nun, ihre kruden Thesen aus den Internet-Schmuddelecken ans Licht der Öffentlichkeit zu holen.

Wer in Charlottesville mit Vertretern der Ultrarechten sprach, bekam immer wieder den Namen Stephen Bannon präsentiert – „als Garant dafür, dass unser Anliegen nicht vergessen wird“, wie ein junger Fackelträger aus Kentucky dieser Zeitung sagte. Bannon, einer der Chefberater Trumps, gilt linken Kritikern als der „Verbindungsmann der Alt-Right-Bewegung im Weißen Haus“. Als Chef des Nachrichtenportals „Breitbart News“ hatte der frühere Wall Street-Banker dem Sammelbecken von Neonazis, Islamhassern, Einwanderungsgegnern, Antisemiten, Rassisten, Staatsverächtern, Milizenanhänger, Chauvinisten eine Plattform geboten, auf der sie sich gegen Globalisierung, Multikulti und politische Korrektheit austoben und Trump schrittweise in ihr Herz schließen konnten.

Da Bannon sich als Systemzerstörer im Sinne Lenins begreift, der den „administrativen Staat“ zerschlagen will, glauben viele Rechtsradikale bis heute einen wirkungsmächtigen Fürsprecher in der Regierungszentrale zu haben. Ausgerechnet Anthony Scaramucci, nach wenigen Tagen wegen verbaler Ausfälle von Trump gefeuerter Interimskommunikationsdirektor der Regierung, legte seinem früheren Chef am Sonntag via Fernsehen indirekt nahe, was nach der Tragödie von Charlottesville zu tun sei, um glaubwürdig zu werden: Trump müsse sich

von dem „Nonsens“ der weißen Vorherrschaft ein für allemal verabschieden. Sprich: Bannon feuern.