Braunschweig. Tausende entscheiden sich gegen die MPU und für einen dubiosen Umweg über das Ausland. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Unser Leser Helmut Hornburg behauptet auf unseren Facebookseite:

Den Wohnsitz bekommst du von der dortigen Fahrschule gleich dazu...

Das Thema recherchierte Tobias Bosse

Der Hintergrund ist klar: Eine im EU-Ausland ausgestellte Fahrerlaubnis muss in Deutschland unter gewissen Umständen anerkannt werden. Und das obwohl der deutsche Führerschein im Heimatland abgenommen wurde und eigentlich nur per MPU zurückerhalten werden kann. „Führerschein-Tourismus“ lautet das Stichwort, dass dubiose Vermittlungsagenturen längst als Geschäftsmodell entdeckt haben. „Schon bald fahren Sie mit Ihrem Europäischen Führerschein aus Ungarn offiziell, auch auf deutschen Straßen – melden Sie sich einfach direkt bei uns“, behauptet beispielsweise das Portal www.nie-wieder-mpu.de auf der Website und lockt mit günstigen Angeboten „ab 100 Euro“ in Verbindung mit einem Urlaub in Budapest. Die vermutlich eher windige Agentur mit Sitz in London verspricht, sich um Fahrschule, Wohnsitz sowie alle Formalien zu kümmern. So ähnlich wie es unser Leser zurecht angedeutet hat. Ein Überblick über weitere Fragen zum Thema.

Ist das Ganze überhaupt rechtens? Jein. Deutsche Behörden müssen nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 26. April 2012 ausländische EU-Führerscheine anerkennen, wenn der Führerschein rechtmäßig in einem anderen EU-Staat ausgestellt worden ist. Die Bedingungen: Es darf keine strafrechtliche Sperrfrist in Deutschland gegen den Antragsteller vorliegen, es muss eine Meldung im betreffenden Ausland geben und ein Nachweis, seinen Lebensmittelpunkt 185 Tage lang ohne Unterbrechung dort gehabt zu haben.

Wieso wird nicht einfach die MPU in Deutschland gemacht?

Eine Erklärung ist sicherlich die hohe Durchfallquote der MPU: Nach Angaben des Bundesamts für Straßenwesen mussten sich im vorigen Jahr 91 185 Personen einer MPU unterziehen. Davon wurden nur knapp 60 Prozent als geeignet beurteilt. Das heißt, dass allein im vergangenen Jahr mehr als 36 000 Menschen durchgefallen sind. Laut Heribert Engelmohr, Sprecher des Automobilclubs AvD, geht es oft um „Menschen, die bereits häufiger durch starken Alkoholkonsum auffällig geworden sind und verzweifelt nach einer Möglichkeit suchen, eine Fahrerlaubnis zu erhalten“. Gewohnheitstrinker haben kaum eine Chance, die MPU zu bestehen. Selbst wenn sie nachweisen können, ein ganzes Jahr alkoholabstinent zu leben, ist eine positive Beurteilung der MPU nicht garantiert, wie Verkehrspsychologe Karl-Friedrich Voss erklärt: „Es muss erkennbar sein, dass das Verhältnis zum Alkohol maßvoll geworden ist.“

Wie hoch ist die Zahl der MPU-Umgeher in Deutschland ?

Im deutlich vierstelligen Bereich. Das sagen die Verkehrspsychologen Dirk-Antonio Harms sowie sein Kollege Karl-Friedrich Voss. Das soll aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Die Dunkelziffer liegt Experten zufolge weit höher.

Warum tut sich die Polizei mit diesen Fällen schwer?

Stefan Weinmeister, Sprecher der Polizeidirektion Braunschweig, betont, dass die Beamten bei Straftat-Verdacht der Sache auch nachgehen. Allerdings räumte Weinmeister ein, dass die Aufarbeitung dieser Fälle tatsächlich sehr zeitintensiv sei. Dazu müssten diverse Behörden im In- und Ausland kontaktiert werden, um die Angaben des Verdächtigen zu überprüfen. „Das kostet zwar viel Zeit, ist aber kein Grund es nicht zu machen“, sagt Weinmeister.

Wie kann der Führerscheintourismus eingedämmt werden?

Die unterschiedlichen Voraussetzungen im EU-Ausland eine Fahrerlaubnis wieder zu erlangen, sind sicherlich ein Schlüssel. Verkehrsexperten wie der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm, plädieren seit Jahren für europäische Standards. Denn von allen EU-Mitgliedsstaaten sind Deutschland und Österreich die einzigen Länder, die eine MPU als verpflichtende Grundlage für die Wiederteilung des Führerscheins gesetzlich verankert haben. Der Automobilclub von Deutschland forderte darüber hinaus ein zentrales elektronisches Führerscheinregister für Europa. Damit jeder EU-Bürger nur einen Führerschein erhalten kann.