Braunschweig. Nach der Feuerkatastrophe in London wird überall der Brandschutz geprüft. Wuppertal räumt ein Hochhaus wegen möglicher Feuergefahr.

Unser Leser Heini Barth aus Wolfsburg fragt:

Wenn in einem Mehrfamilienhaus, in dem die Kellerdecke mit Styropor gedämmt ist, im Keller ein Brand ausbricht: Haben die Bewohner dann noch eine Chance, den giftigen Gasen zu entkommen? Sollte man die Isolierung entfernen?

Die Antwort recherchierte Sibylle Haberstumpf

Das Thema Brandschutz kocht hoch. Seit der Feuerkatastrophe im 24-stöckigen Londoner Grenfell Tower am 14. Juni, bei der mindestens 79 Menschen ums Leben kamen, machen sich viele Bewohner von Mehrfamilienhäusern Gedanken um ihre Sicherheit. In London sind nach Regierungsangaben bislang alle 95 Gebäude durchgefallen, die bei stichprobenartigen Tests überprüft wurden. Und auch in Wuppertal musste am Dienstag ein elfstöckiges Hochhaus geräumt werden. Wegen einer Fassadendämmung, die dem Londoner Grenfell Tower ähnele, habe man sich kurzfristig zu dieser Vorsichtsmaßnahme entschlossen, sagte eine Sprecherin der Stadt am Dienstag.

In London hatte den Ermittlern von Scotland Yard zufolge ein defekter Kühlschrank den verheerenden Brand ausgelöst. An der Außenfassade entlang griff das Feuer schnell auf das ganze Hochhaus über. Nicht nur unser Leser fragt sich nun, wie sicher Dämm-Material überhaupt ist – an der Fassade, aber auch anderswo im Haus. Er macht sich besondere Sorgen um die Rauchgas-Entwicklung bei einem Kellerbrand, wenn die Kellerdecke mit Styropor gedämmt ist. Styropor, soviel zur Begrifflichkeit, ist eine Handelsmarke für den Werkstoff Polystyrol. Auf die Leserfrage geht Dr. Gary Blume von der Technischen Universität Braunschweig ein – er leitet den Fachbereich Brandschutz bei der Materialprüfanstalt für das Bauwesen. Eine besondere „Panik“ wegen der Styropor-Isolierung hält er für nicht angebracht. „Bitte nicht in Aktionismus verfallen“, meint der Ingenieur. Vor einer Entfernung der Isolierung sollte lieber ein gründlicher Keller-Check stehen. Denn in Kellern werde enorm viel altes Zeug aufbewahrt, gibt Gary Blume zu bedenken: Sofas, Autoreifen, Plastikspielzeug – jede Menge Brennbares. „Oft wird eine Vielfalt von Stoffen zusammen gelagert. Schuld an einem Kellerbrand ist meistens der Defekt eines elektronischen Geräts, zum Beispiel eines alten Radios.“ Denn auch Kühlschränke und Kühltruhen, die oft im Keller stehen, enthalten Polystyrol, wie Gary Blume erklärt. Geraten diese Geräte in Brand, entwickeln sich also dieselben Rauchgase wie bei der Styropor-Isolierung. Eine Entrümpelung des Kellers, insbesondere mit Blick auf dort abgestellte Elektrogeräte, könnte also vorbeugen, dass es gar nicht zu einem Brand kommt.

Wenn das Feuer erst einmal brennt, entsteht dabei auch immer Brandrauch – ein Gemisch aus giftigen Gasen wie etwa Kohlenmonoxid, Chlorwasserstoff, Zyanid, Schwefeloxiden oder Stickstoff. Wie der Deutsche Feuerwehrverband betont, ist die häufigste Todesursache bei Großbränden die Vergiftung durch Rauchgas. Das liegt laut dem Bundesfeuerwehrarzt Dr. Hans Richard Paschen vor allem am Kohlenmonoxid, das bei Feuer mit geringer Luftzufuhr entsteht. Die meisten Brandopfer sterben im Schlaf: Sie werden durch das geruchlose Kohlenmonoxid bewusstlos, noch bevor sie fliehen können. Daher, so der Bundesfeuerwehrarzt, seien Brandmelder so wichtig. Der Feuerwehr zufolge gibt es in Deutschland etwa 190 000 Brände pro Jahr, bei denen mehr als 400 Menschen ums Leben kommen.

Wenn es brennt, zählt Schnelligkeit: Dringt Rauch in ein Zimmer, mahnt der Bundesfeuerwehrarzt, so bleiben – je nach Größe des Raumes – nur zwei bis vier Minuten Zeit, um den Gefahrenbereich zu verlassen.