Hannover. Der US-Handelsminister Wilbur Ross sagt seinen Berlin-Besuch kurzfristig ab. Für Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies gleicht das einem „Affront“.

Unser Leser, der sich „Querdenker“ nennt, zum Thema Stahlimporte:

China ist für 29Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Gleichzeitig werden die so billig und umweltschädlich hergestellten Waren konkurrenzlos günstig auf dem Weltmarkt angeboten.

Die Antwort recherchierte Hannah Schmitz

Der Stahlgipfel, zu dem Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) am Dienstag eingeladen hatte, fand in bescheidenen Räumen statt. Im Dachgeschoss der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Hannover drängten sich am Mittag rund 30 Teilnehmer aus Politik, Industrie und Gewerkschaft um einen runden Konferenztisch. Doch was 2016 auf dem ersten niedersächsischen Stahlgipfel schon einmal geklappt hatte, soll jetzt noch einmal die entscheidende Wende bringen – in Sachen Strafzölle der USA auf deutsche Stahlprodukte.

Ging es 2016 noch um das drängende Problem der Dumping-Importe aus China – deren Stahlprodukte inzwischen mit Strafzöllen durch die EU belegt wurden – bereiten der Stahlindustrie und dem Land Niedersachsen nun vor allem die Ankündigungen von Donald Trump Sorgen, gegen Stahlimporte aus Deutschland und der EU vorzugehen. „Wir müssen uns energisch gegen die Pläne Washingtons wehren“, sagte Wirtschaftsminister Lies. „Wer Quoten oder Zölle erlässt, um Importe reduzieren, handelt gegen geltendes Recht.“ Es gehe nicht darum zu drohen, jedoch seien klare Worte nötig. Amerikanischer Protektionismus schade beiden Seiten.

Doch auf die niedersächsische Dialogbereitschaft gab es eine erste rüde Antwort aus den USA: Der Handelsminister Wilbur Ross hatte kurzfristig seinen Berlin-Besuch abgesagt, bei dem er sich am Dienstag mit Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) treffen und über mögliche US-Strafen gegen europäische und deutsche Stahlkonzerne sprechen wollte. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur bezeichnete Lies die Absage als „Affront“ Er sei „entsetzt, dass Ross abgesagt hat“. Gegenüber unserer Zeitung machte er deutlich, dass er hoffe, dass etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema auch am Rande des G-20-Gipfels mit US-Präsident Trump thematisieren wird.

Im März hatten die USA bereits Dumping-Vorwürfe gegen deutsche Stahlhersteller erhoben, darunter die Salzgitter AG. Der Vorstandsvorsitzende der Salzgitter AG, Heinz Jörg Fuhrmann, wies die Anschuldigungen von sich. So hatte er auf der Hauptversammlung Anfang Juni deutlich gemacht, dass weder die Berechnung der Strafzölle noch deren Höhe nachvollziehbar sei.

„Aktuell“, sagte Fuhrmann, „haben wir dadurch keine Nachteile, weil wir im Moment nicht in die USA liefern.“ Allerdings fürchtet der Vorstandsvorsitzende die Folgen, sollten die USA auch anderen stahlproduzierenden Ländern, wie etwas der Türkei, Iran, Indien, Korea oder Brasilien, Importzölle aufbürden. „Diese Handelsströme werden sich dann in die EU ergießen. Das kann nicht in unserem Sinn sein“, sagte Fuhrmann. Wirtschaftsminister Lies sieht daneben auch die Möglichkeit, rechtlich gegen die USA bei der Welthandelsorganisation vorzugehen. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, glaubt: „Es braucht jetzt mutige politische Entscheidungen, um die Wettbewerbsfähigkeit in Niedersachsen und Deutschland zu erhalten.“

Lies betonte, dass es nun auf die kommenden Wochen ankäme. Mitte Juli finden Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament statt, in denen neue Berechnungsmethoden in Anti-Dumpingfällen ausgehandelt werden sollen. Das soll unter anderem die heimische Stahl-Industrie vor unlauterem Wettbewerb schützen. Der Stahlgipfel solle außerdem ein Signal an die EU senden, dass Deutschland und die EU klare handelspolitische Maßgaben brauchten. „Wir müssen fairen Handel möglich machen, so wie es auch bei den chinesischen Dumping-Importen möglich war.“

Für Salzgitter-Chef Fuhrmann ist die Kausa Billig-Stahl aus China eine Schlacht, die gewonnen wurde. Der Kampf ist aber noch nicht entschieden, weder international noch national. Denn auf nationaler Ebene machen dem Stahl-Konzern die hohen Netzentgelte das Leben schwer. Bundesweit wurden zum Jahreswechsel 2016/2017 die Gebühren auf die Nutzung von Stromnetzen erheblich angehoben. Niedersachsen liegt in der Spannungszone TennT, dessen Netzentgelte zum 1. Januar 2017 nach Angaben des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums doppelt so hoch waren wie in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen.

Dass zur Salzgitter AG gehörende Elektrostahlwerk Peiner Träger ist von den Netzentgelten besonders hart getroffen, weil es seine Stahlprodukte energieintensiv mit Strom aus dem Netz herstellt. Im Salzgitteraner Werk kommt der Strom zum Großteil aus eigenen Kraftwerken. „Stände unser Werk in Peine 200 Kilometer weiter westlich, würden wir zig Millionen weniger zahlen“, ärgert sich Fuhrmann. Lies will, dass das Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur diesen Wettbewerbsnachteil schnell ausgleicht: „Das muss vor der Bundestagswahl geklärt werden.“

Auch die Reform des europäischen Emissionshandels beschäftigte die Teilnehmer des Stahlgipfels. Schon nach dem ersten Stahldialog 2016 hatte sich die niedersächsische Landesregierung in Brüssel und Berlin wiederholt für faire globale Wettbewerbsbedingungen ausgesprochen. Das Land will verhindern, dass sich Unternehmen wegen der mit den Klimamaßnahmen verbundenen Kosten einen Standort außerhalb der EU suchen. Um aber gegen einen Wettbewerber wie China bestehen zu können, der, wie unser Leser schreibt, bis vor kurzem noch seine Stahlprodukte „konkurrenzlos günstig“ auf dem europäischen Markt anbieten konnte, fordert der niedersächsische Wirtschaftsminister Lies eine Reform des Emissionshandels mit Augenmaß. „Unser erklärtes Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie sicherzustellen“, sagte er. Die IG Metall fordert, dass zehn Prozent der effizientesten Anlagen der EU kostenfreie Emissions-Zertifikate bekommen und diese dafür insgesamt um fünf Prozent erhöht werden. Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, teilt dazu mit: „Es hilft nicht, wenn energieeffiziente Anlagen in Europa durch weitere Zusatzbelastungen Wettbewerbsnachteile gegenüber Standorten haben, die eine weitaus schlechtere CO2-Bilanz aufweisen.“

China bekommt nun eventuell auch von US-Seite weitere Steine in den Weg gelegt. Laut Insidern erwägt Trump im Stahlstreit mit dem Land Strafzölle zu erheben. Ob der US-Präsident seine Drohung umsetzen wird, ist bislang noch unklar.