Manchester. Der Manchester-Attentäter Salman Abedi hielt sich vergangene Woche am Düsseldorfer Flughafen auf. Die britische Polizei nimmt acht Verdächtige fest.

Jetzt ist Detektivarbeit gefragt. Jetzt sitzen Ermittler in Düsseldorf vor den gespeicherten Videoaufnahmen von vor einer Woche und suchen nach Salman Abedi. Der 22-jährige Attentäter von Manchester war am Donnerstag vergangener Woche auf dem Düsseldorfer Flughafen, und die Frage ist nun, ob er dort jemanden getroffen hat. Ob er sich mit jemandem unterhalten hat. Ob Taschen oder Gegenstände übergeben wurden. Wenn das so wäre, dann könnte es auf den Videoaufnahmen zu sehen sein.

Nach allem, was man weiß, hat sich Abedi zwar auf dem Flughafen aufgehalten, ihn aber nicht verlassen. Er blieb nur „für kurze Zeit“ im Transit- und Sicherheitsbereich, wie die Düsseldorfer Polizei gestern mitteilte. „Weitere Erkenntnisse für Kontakte des Tatverdächtigen nach Nordrhein-Westfalen“ gebe es nicht. Jüngsten Erkenntnissen zufolge kam der Täter aus Istanbul, möglicherweise hielt er sich davor für eine paramilitärische Ausbildung in Syrien auf. Im sogenannten Schengener Informationssystem (SIS) sei der Name des Briten mit libyschen Wurzeln nicht registriert gewesen. Er sei nicht zur Fahndung ausgeschrieben gewesen, auch seine Reiseaktivitäten seien nicht überwacht worden, hieß es.

Abedi versteckte sich nachts

in der Moschee

Trotzdem werden die Ermittler nun die Reisen von Salman Abedi rekonstruieren. Sie werden auch nach Parallelen zu den Reisen von anderen mutmaßlich islamistischen Personen suchen. „Es ist klar, dass es sich um ein Netzwerk handelt“, ist der Polizeichef von Manchester, Ian Hopkins, überzeugt. Dem gehe man nach. Tatsächlich hatte sich die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu dem Anschlag bekannt. 22 Menschen waren dabei ums Leben gekommen, viele Opfer schweben noch in Lebensgefahr.

Derzeit seien acht Personen in Polizeigewahrsam, sagte Hopkins am Donnerstagmittag, als er auf den Stufen vor dem Polizeihauptquartier von Manchester kurz vor die Presse trat. Eine neunte Person, eine am Mittwoch festgenommene Frau, sei wieder frei. Es seien mehrere Wohnungen durchsucht worden. Die Objekte, die man dabei gefunden habe, hätten „eine hohe Relevanz“ für die Aufklärung des Anschlags, so Hopkins. Nach Angaben von britischen Medien handelte es sich dabei um Material zum Bombenbau. Auch in Abedis Wohnung in Manchester fand die Polizei offenbar eine Art Bombenwerkstatt, in der genügend Chemikalien für weitere Sprengsätze lagerten.

Das rote Backsteinhaus in der Elsmore Road in Manchester, in dem Abedi wohnte, war auch am Donnerstag noch weiträumig abgesperrt. Noch ist unklar, mit wem der Attentäter dort zuletzt zusammenlebte. Womit er sein Geld verdiente. Welche Freunde er hatte. Womöglich war er in mehreren Wohnungen gemeldet. Menschen, die ihn zu kennen glaubten, beschrieben ihn in britischen Medien als still, freundlich und unauffällig. Der Vorsitzende einer Moschee in Manchester berichtete aber, Abedi sei schnell wütend geworden. Vor zwei Monaten habe sich der junge Mann nachts in der Moschee versteckt, um religiöse Bücher zu lesen. „Ich habe ihm gesagt, er solle gehen“, sagte Abdullah Muhsin Norris einem Fernsehsender. Abedi habe gesagt, er wolle nicht wie ein Kind behandelt werden.

Die Eltern des Attentäters, die angeblich sehr religiös sind, sollen vor dem Gaddafi-Regime aus Libyen geflohen sein, ihr Sohn kam 1994 in Großbritannien zur Welt. Er wuchs in Manchester auf, ging dort zur Schule und begann auch ein Betriebswirtschaftsstudium, das er im vergangenen Jahr abbrach. Abedis Eltern leben inzwischen wieder in Libyen, sein Vater wurde dort verhaftet, ist aber wieder frei. Auch den jüngeren Bruder Hashim nahm die libysche Polizei fest, er soll sich als Mitglied des IS bezeichnet und behauptet haben, in die Anschlagspläne eingeweiht gewesen zu sein. Ein zweiter Bruder soll unter den Personen sein, die in Großbritannien verhaftet wurden. Über Abedis Schwester ist nichts bekannt.

Vorstrafen hatte Salman Abedi keine, aber er war dem britischen Geheimdienst aufgefallen, das räumte Innenministerin Amber Rudd bereits ein. Den Grund dafür nannte sie nicht. Ihr französischer Kollege Gérard Collomb sagte einem französischen Fernsehsender, Abedi sei nach Libyen „und dann wahrscheinlich nach Syrien“ gereist und habe sich anschließend „plötzlich radikalisiert“. Dann habe er sich „entschieden, diesen Anschlag zu begehen“, sagte der Minister, ohne Quellen zu nennen.

Die britische Regierung ließ am Donnerstag verbreiten, britische Sicherheitsbehörden hätten in den vergangenen vier Jahren 18 geplante Terroranschläge vereitelt. Allein seit der Attacke nahe dem Parlament in London im März seien fünf Attentate verhindert worden.

Der Inlandsgeheimdienst MI5 führe 500 Ermittlungen gleichzeitig, bis zu 3000 Personen seien dabei von besonderem Interesse. Zu diesem Personenkreis habe auch Salman Abedi gehört, hieß es aus der Regierung. Zuletzt sei er aber nicht mehr regelmäßig überprüft worden. Die Entscheidung, ob jemand als potenzieller Terrorist eingestuft werden müsse, sei „schwierig“.