Wolfsburg. Die Polizei will die Fans des VfL und der Eintracht beim Relegationsspiel strikt trennen.

Unser Leser Jasper Niklasch fragt auf den Facebook-Seiten unserer Zeitung:

Ist es erlaubt, als Nicht-Karten-Besitzer nach Wolfsburg zu fahren? Da gab es ja mal Probleme.

Die Antwort recherchierten Hendrik Rasehorn und Dirk Breyvogel

Donnerstagabend trifft der VfL Wolfsburg im Hinspiel der Relegation auf Eintracht Braunschweig. 30 000 Fans finden in der Arena Platz, 3000 Plätze sind für die Gästefans reserviert. Die Braunschweiger Ultra-Szene will aber noch viel mehr Anhänger für dieses wichtige Spiel mobilisieren. Sie starteten den Aufruf, sich ohne Eintrittskarte nach Wolfsburg auf den Weg zu machen und Flagge für ihren Verein zu zeigen.

„In der Relegation ist es entscheidend, was auf dem Spiel für beide Mannschaften steht.“
„In der Relegation ist es entscheidend, was auf dem Spiel für beide Mannschaften steht.“ © Gunter A. Pilz, Soziologe und Fan-Forscher aus Hannover.

Auch wenn die Polizei sowie die Oberbürgermeister der Städte Braunschweig und Wolfsburg, Ulrich Markurth und Klaus Mohrs (beide SPD), es lieber sehen würden, wenn alle ohne Ticket daheim blieben, steht es gleichwohl jedem frei, nach Wolfsburg zu fahren.

Im Vorfeld der Bundesligapartie im Oktober 2013 hatte der Wolfsburger Einsatzleiter Thorsten Kühl erklärt: „Jeder darf sich frei in der Stadt bewegen.“ Zu größeren Vorfällen kam es damals nicht im Umfeld des damaligen Spieles (Ergebnis 2:0 für Braunschweig). Allerdings muss man wissen, dass sich die Eintracht-Ultras bei diesem Spiel bewusst ruhig verhielten, weil sie dem Derby gegen Hannover 96 einen Monat später entgegenfieberten und im Vorfeld keine Stadionverbote riskieren wollten. Nun stehen die Vorzeichen aber anders: Für beide Vereine geht es um sehr viel – und Fußballdeutschland schaut ihnen an den Fernsehgeräten zu.

Intern herrscht beim VfL längst „Alarmstufe dunkelrot“, wie unsere Zeitung erfuhr. Die Sicherheitsvorkehrungen werden verstärkt. Dies geschieht wohl nicht zuletzt aus Furcht vor einer möglichen Reaktion der eigenen Fans, falls sich die Wölfe nach einer enttäuschenden Saison nun im eigenen Stadion blamieren sollten.

Die Polizei will ein Aufeinandertreffen der Fans verhindern. Eintracht-Anhänger, die kein Ticket haben, sollen keine Möglichkeit bekommen, sich an der Arena aufzuhalten. Der Gästeblock (Blöcke 29, 32, 33, 34, 35 und 36) wird zum Sicherheitsbereich ausgerufen. Den VfL-Fans wird geraten, diesen Bereich weiträumig zu meiden.

Eintracht-Anhänger, die in der Arena Tickets für Plätze außerhalb des Gästeblocks ergattert haben, doch partout nicht auf ihre blaugelben Fan-Utensilien verzichten wollen, wird der Zutritt verwehrt. Der Verein verweist auf sein Hausrecht, damit es auf den Rängen friedlich bleibt.

Nicht vergessen ist in Wolfsburg, und darauf verweist der Leser womöglich, das Abstiegs-Endspiel am 13. Mai 2006 daheim gegen Kaiserslautern. Zahlreiche Eintracht-Fans wollten in der Arena für Lautern die Daumen drücken. Weil sie ihre Vereins-Shirts trugen, wurden sie nicht in die Arena gelassen. Einige strengten deshalb später Klagen gegen den VfL an. Das Spiel endete übrigens 2:2. Die Wölfe hielten damit die Klasse, Lautern landete im Bundesliga-Unterhaus. Bald danach begann die erfolgreichste Zeit der Wölfe: 2009 der Meistertitel, 2015 Sieger im Supercup und im Pokal.

Längst stehen die VfL-Anhänger den Eintracht-Fans in nichts nach, wenn es um ihren Verein geht – sowohl was fantasievolle Choreographien angeht, wie auch beim Thema Gewalt. In der Arbeitsdatei der szenekundigen Beamten (SKB) in Niedersachsen, in der Problemfans gespeichert werden, wurden im Herbst 2016 256 Braunschweiger und 185 Wolfsburger aufgeführt.

Wie viele Fans in die Kategorie B („gewaltbereit“) und C („gewaltsuchend“) fallen, dazu will der Sprecher der Polizeidirektion Braunschweig, Rainer Raschke, nichts sagen. „Konkrete Angaben könnten dazu führen, dass die Risikoszenen eine zahlenmäßige Differenz auszugleichen versuchen.“ Er stellt aber klar: „Die Polizei ist auf das Erscheinen der Risikoszene vorbereitet.“

Das Spiel 2013 in Wolfsburg sicherten rund 500 Polizisten aus ganz Niedersachsen ab. Nach Informationen unserer Zeitung kostete der Einsatz dem Steuerzahler circa 320 000 Euro. In diesen Betrag nicht eingerechnet sind die Ausgaben für die Vor- und Nachbereitung, für die Versorgung sowie für die Kräfte der Bundespolizei.

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen, Dietmar Schilff, hofft auf ein friedliches Duell. Die Rahmenbedingungen an Christi Himmelfahrt, am sogenannten „Vatertag“, lassen jedoch einen intensiven Polizeieinsatz erwarten. „Die Polizei wird vorbereitet sein“, sagt Schilff. Er gehe persönlich davon aus, dass der Großteil der neun Polizei-Hundertschaften aus Niedersachsen auch im Einsatz sein werde.

Der Gewerkschafter verweist auf die zusätzliche Belastung der Beamten in diesen Tagen. „Die Bereitschaftspolizei ist schon seit Wochen in die Vorbereitungen und Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen des G 20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli eingebunden. Auch das bindet zusätzlich Kräfte, darf aber bei so einer brisanten Partie keine Rolle spielen“, erklärt Schilff. Er hoffe auf ein emotionales, aber faires Spiel. „Alles andere wäre inakzeptabel.“

Gunter A. Pilz, Soziologe und Fan-Forscher an der Leibniz Universität Hannover, hält die Ansetzung des Relegationsspiels an „Vatertag“ für mindestens unglücklich. Man müsse aber auch sehen, dass der Verband durch den aufgestellten internationalen Rahmenterminkalender in einem Dilemma stecke. „Es ist den Vereinen und den Spielern nicht zuzumuten, die verdiente Sommerpause noch weiter nach hinten zu schieben.“ So müsse man in Kauf nehmen, dass einige Wenige den Feiertag nutzen könnten, sich mit mehr Alkohol als sonst auf das Relegations-Spiel einzustimmen. „Ich setze da aber auf die Polizei als staatliches Gewaltmonopol, die die Lage sicherlich richtig einschätzen und die Ordnung durchsetzen wird.“

In dem Zusammenhang unterstreicht Pilz seine Zufriedenheit mit dem jüngsten Urteil zu Polizeikosten. In einem Urteil, dass noch Präzedenzcharakter haben könnte, hatte ein Bremer Gericht entschieden, zusätzliche Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen nicht der Deutschen Fußball Liga (DFL) aufzubürden. Der Senat in Bremen hatte das vor und der DFL für ein Hochrisikospiel zwischen Werder und dem HSV eine Rechnung von 425 000 präsentiert. Dagegen hatte die DFL geklagt und Recht bekommen.

Die Befürchtung, dass es zwischen den Fan-Gruppen am Donnerstag zu Auseinandersetzungen kommen könnte, sei nicht von ungefähr, sagt Pilz. „Neben der räumlichen Nähe verstärkt auch die Ausrichtung der Vereine die gegenseitige Abneigung. Nun in der Relegation ist es aber entscheidend, was auf dem Spiel für beide Mannschaften steht.“

In der Vergangenheit hätten auch VfL-Anhänger die Konfrontation gesucht. Pilz verweist auf den Abschuss von Pyro-Technik im März 2016 im Stadion von Hannover. Eine Leuchtrakete traf die 96-Ersatzbank, ohne, dass jemand verletzt wurde. Der Verein war damals zu 90 000 Euro Strafe und einem Teilausschluss auf Bewährung verurteilt worden. „Die haben auch nicht mehr nur die pflegeleichten Fälle in der Kurve“, erklärt Pilz.

Offen war noch, ob am Donnerstag auf der Strecke zwischen Braunschweig und Wolfsburg zusätzliche Züge im Nahverkehr für Entlastung sorgen sollen. Der Regionalverband Großraum Braunschweig erklärte, eine Entscheidung falle im Laufe des heutigen Dienstags. Man befinde sich noch in Verhandlungen mit dem Betreiber Metronom.