Braunschweig. CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann spricht im Interview mit unserer Zeitung über seine „Agenda 2018“ zur Landtagswahl.

Leitkultur und Bildungspolitik, Sicherheitsängste und die CDU-Chancen in der Region: Mit dem CDU-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 2018 in Niedersachsen, Bernd Althusmann, sprachen unsere Redakteure Armin Maus, Michael Ahlers und Andre Dolle.

Herr Althusmann, die CDU redet wieder über Leitkultur. Das sieht wie der Griff in eine Werkzeugkiste aus, die man früher schon mal offen hatte. Hat diese Debatte etwas mit Fischen am rechten Rand vor den anstehenden Wahlen zu tun?

Nein, Rechts- und Linkspopulisten lehne ich gleichermaßen ab. Es ist aus meiner Sicht jedoch eine ständige Aufgabe, sich zu vergewissern, was uns in Deutschland verbindet und zusammenhält. In Niedersachsen haben aktuell etwa 18 Prozent der Einwohner ausländische Wurzeln. Denen können wir nicht vorschreiben, unsere Kultur zu übernehmen. Aber wir müssen mehr dafür tun, dass das, was uns wichtig ist, auch respektiert und anerkannt wird. Wir haben als Land die Möglichkeit zu steuern und sollten dies besser nutzen. Der Begriff Leitkultur steht für mich nicht im Zentrum dieser Debatte.

„Rot-Grün fand das alles nicht so wichtig. Diese Dinge holen uns jetzt ein.“
„Rot-Grün fand das alles nicht so wichtig. Diese Dinge holen uns jetzt ein.“ © Bernd Althusmann über Extremismus und Salafismus in Niedersachsen

Der Hintergrund der Diskussion ist doch auch das Bedürfnis nach Sicherheit. Viele Bürger haben das Gefühl, dass es dem Staat nicht mehr gelingt, elementare Regeln wie den Schutz des Eigentums durchzusetzen....

Die Angst der Menschen vor Terror ist im Moment meines Erachtens die größte Angst, gleich danach kommen die Einbrüche. Die umherziehenden Banden mit ausländischen Straftätern haben daran einen erheblichen Anteil, das hat die jüngste Statistik des Bundes gezeigt. Niedersachsen hätte schon zur Prävention vor Jahren seine Polizeikräfte in dem Bereich Einbruch und Diebstahl verstärken müssen.

Auch unter CDU-Verantwortung gab es Jahre mit hohen Einbruchszahlen.

Ich nehme da keinen aus, wir hatten allerdings seinerzeit eine sehr hohe Polizeidichte im Verhältnis zu den damaligen Aufgaben. Nun haben wir hinzutretende Entwicklungen, die Gefahren des Terrorismus, den gerade in Niedersachsen auftretenden Salafismus oder auch die in Niedersachsen extrem angestiegenen Delikte im Bereich des politischen Extremismus. Rot-Grün fand das alles nicht so wichtig. Diese Dinge holen uns jetzt ein. Warum konnte ein Abu Walaa in Hildesheim agieren? Oder die Zelle in Wolfsburg? Wir werden deutlicher gegen Salafisten und Terrorverdächtige vorgehen, mit den Mitteln des Rechtsstaates bis zur Abschiebung.

Wird Sicherheit das beherrschende Thema bei der Landtagswahl?

Mehr Sicherheit für die Menschen ist für mich ein wichtiges Anliegen und wird daher eines der wesentlichen Themen sein. Darüber hinaus werden wir für die Zukunftsfähigkeit Niedersachsens streiten, ob in der Bildung oder in der Infrastruktur, ob bei VW oder bei der Digitalisierung.

In Gifhorn wurde kürzlich ein Erster Kreisrat mit Stimmen der CDU und der AfD gewählt. Der Landrat ist ein CDU-Mann.

Mit dem speziellen Gifhorner Fall bin ich nicht vertraut. Meines Wissens hat es auch dort keinerlei Absprachen mit der AfD gegeben. Grundsätzlich gilt für uns, dass wir nicht mit Rechts- oder Linkspopulisten zusammenarbeiten.

Ihr Vorschlag, Flüchtlinge zur Altersfeststellung zu röntgen, wurde in der SPD aber als eindeutiger Rechtsruck interpretiert...

Warum die SPD dieses Problem nicht sehen will, ist mir schleierhaft. Die Große Koalition im Bund hat einen entsprechenden Gesetzentwurf dazu auf den Tisch gelegt. Jeden Tag kommen bis zu 50 unbegleitete Minderjährige nach Niedersachsen. Das Einstufen als minderjährig hat erhebliche Rechtsfolgen. Das Land hat vor 2015 noch rund 14 Millionen in der Kinder- und Jugendhilfe gezahlt, mittlerweile 276 Millionen Euro. Eine amtsärztliche Untersuchung könnte für Klarheit sorgen. Ich bin Christ, in einem evangelischen Pfarrhaus aufgewachsen und überzeugter Demokrat. Ich werde jedes Kind, das als Flüchtling vor Krieg und Terror zu uns kommt, mit offenen Armen aufnehmen. Was aber grundsätzlich vermieden werden muss, ist eine Vermischung von Asyl, Kriegsflüchtling und Einwanderung. Ich war selber in Namibia auch fast drei Jahre lang Ausländer. Wer mir Rechtspopulismus vorwirft, der muss schon ganz tief in die Mottenkiste greifen. Der Vorwurf des Rechtsrucks ist perfide und absurd.

Was ist denn als Ex-Kultusminister Ihre zentrale Botschaft an die Wähler? Hoffentlich nicht: Wir müssen zurück zum G8...

Definitiv nicht. Es wird wenige Änderungen geben, aber eine auf jeden Fall, und das ist die Inklusion. Nirgendwo steht als Vorgabe für Inklusion die langfristig von manchem angestrebte Auflösung des Förderschulsystems. Die gänzliche Aufhebung der Förderschule Lernen werden wir stoppen. Ich wünsche mir natürlich mehr sonderpädagogische Kompetenz in Schulen, aber unter Aufrechterhaltung eines Angebots von Förderschulen in den Landkreisen. Wir dürfen Schulen und Lehrer nicht überfordern. Inklusion ist ein Prozess von mindestens zehn Jahren. Es wird also weiter Förderschulen geben müssen.

Die Kultuspolitik gilt als die Achillesferse der Regierung Weil. Da muss ein Spitzenkandidat wie Sie doch mit aller Macht ansetzen. Die Regierung bekommt zum Beispiel bislang auch die Unterrichtsversorgung nicht in den Griff...

Natürlich werden wir den Finger hier sehr tief in die Wunden legen. Das Versagen der Landesregierung in der Bildungspolitik ist eklatant, die Unterrichtsversorgung teils dramatisch schlecht, gerade auch im Berufsschulbereich. Ich werde aber nicht zu einer Generalattacke auf meine Nachfolgerin blasen, denn sie wirkt schon jetzt kaum noch handlungsfähig. Die schulpolitische Landschaft ist sehr aufgewühlt. Das erfahre ich in vielen Gesprächen.

Was soll sich mit Ihnen denn zum Besseren wenden?

Wir werden den Eltern eine Unterrichtsgarantie geben. Lehrerstellen können nicht besetzt werden. Es sind aber 1,4 Millionen Unterrichtsstunden im System. Das Erteilen des klassischen Unterrichts muss eindeutig Priorität haben. Wir müssen wieder zu den 102 Prozent Unterrichtsversorgung kommen, die wir mal hatten. Dann ist zumindest eine Reserve da.

Wo wollen Sie denn Stunden rausziehen? Bei der Sprachförderung etwa, bei der Inklusion, beim Ganztag?

Wir geben zahlreiche Stunden in Projekte, die nicht zwingend sind. 20 bis 25 Prozent der 1,4 Millionen Stunden im Schulsystem fließen nicht in den allgemeinen Unterricht. Eine gesicherte Unterrichtsversorgung hat meines Erachtens aber Priorität. Und circa 100 Lehrer warten offenbar seit Monaten darauf, dass sie in der neu reformierten Schulinspektion eingesetzt werden. Ich glaube, dass wir das deutlich besser hinbekommen würden. Mit den bestehenden Ressourcen werden wir 102 Prozent dauerhaft erreichen, quasi eine Garantie für Unterricht in Niedersachsen. Wir müssen außerdem bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels Frauen die Rückkehr in den Vollzeitberuf besser ermöglichen. Dazu bedarf es insbesondere flexiblerer Zeiten für die Kita-Betreuung. Da ist es mit Beitragsfreiheit nicht getan.

Wie wollen Sie das alles bezahlen?

Wir haben stetige Steuermehreinnahmen. Das gibt uns einige Spielräume. Übrigens auch für mehr Investitionen. Die Steuerverbundquote für die Kommunen sollte deshalb wieder von

15,5 Prozent auf 16,09 Prozent erhöht werden. Das würde einen Schub von etwa 200 Millionen Euro für die Kommunen geben. Die würden ein erhebliches Investitionsvolumen auslösen. Die Kommunen müssen dringend in ihre Schulen, Altenheime und Krankenhäuser investieren und mit diesem Geld können sie das auch!

Sie haben die VW-Aufsichtsräte Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies hart angegriffen, in der VW-Krise versagt zu haben und nur VW nach dem Munde zu reden.

Zu Recht. Es war meines Erachtens ein klarer Verstoß gegen Compliance-Regeln, dass Frau Hohmann-Dennhardt als Integritäts-und Rechtsvorstand benannt wurde und wenige Wochen später Manfred Döss von der Porsche SE zusätzlich als Rechtsvorstand zu VW geholt wurde. Am Ende musste eine genervte Vorstandsfrau für Integrität und Recht nach knapp 13 Monaten nach Hause gehen, mit einem völlig überzogenen Vertrag. Frau Hohmann-Dennhardt hat rund 12-13 Millionen Euro Abfindung bekommen. Das steht in keinem Verhältnis. Der Aufsichtsrat und damit auch der niedersächsische Ministerpräsident haben das gebilligt. Ich finde, dass dies einer Sonderprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer unterzogen werden sollte.

Ministerpräsident Weil tut ja einiges für die Region, zum Beispiel mit mehr Geld beim ÖPNV. Das Nahverkehrsgesetz wurde geändert. Was haben Sie der Region zu bieten?

Eine zukünftige Landesregierung wird dem Braunschweiger Land deutlich mehr Beachtung schenken als das möglicherweise in der Vergangenheit der Fall war. Wir müssen gerade so eine Ballungsregion wie Braunschweig – mit Blick auf die Bedeutung für ganz Niedersachsen – stärker in den Blick nehmen. Ein sehr zielgerichteter und eigener „Braunschweiger-Land-Plan“ ist mindestens genauso wichtig wie ein umfassender Südniedersachsen-Plan. Einige Probleme werden wir nur aus den Wissenschaftsregionen herauslösen können. Deshalb hat Braunschweig für mich eine besondere strategische Bedeutung. Es muss auch ein Innovationskonzept für einen Landkreis wie Helmstedt entwickelt werden. Da muss das Land eine aktive Rolle übernehmen.

Hat David McAllister die Landtagswahlen 2013 in der Region Braunschweig verloren? Die SPD hat hier Direktmandate geholt, mit denen sie in ihren kühnsten Träumen nicht gerechnet hat.

Ich hoffe, dass wir uns mit einer guten Mischung von erfahrenen und neuen Kandidaten, mit engagierten Frauen und Männern langfristig tragfähig aufstellen. Ich werde mich als Landesvorsitzender um den Bereich Braunschweig besonders kümmern, in enger Abstimmung mit dem Vorsitzenden des CDU-Landesverbandes Braunschweig. Was sind die Themen im Wahlkampf, wie gehen wir vor und schaffen vor allem Vertrauen? Der amtierenden Landesregierung fehlen Mut und Entschlossenheit. Die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, dass zögerliches und zauderndes Regieren bestraft wird.

Sie haben ja eine ziemliche Achterbahnfahrt hinter sich. Den Machtverlust, den Jobverlust als Minister und auch Abgeordneter, dann weg nach Namibia und Angola, nun zurück in der ersten Reihe der Landespolitik. Ist das Projekt Althusmann eigentlich ein Langzeitprojekt?

!ch sehe das alles gar nicht als Achterbahnfahrt, sondern als etwas absolut Belebendes. Umwege erhöhen bekanntlich die Orientierung. Der Abstand von der Politik hat mir gutgetan. Aber jetzt bleibe ich länger (lacht). Versprechen oder Drohung, das ist eine Sache des Standpunktes.....

Mit wem wollen Sie denn regieren? Mit dem Röngten von Flüchtlingen werden Sie bei den Grünen keine Begeisterung auslösen...

Ich werde hier keine Präferenzen erklären und nichts über Koalitionen. Wir werden ausschließlich für CDU-Positionen werben. Ich selber habe zu den meisten Grünen übrigens ein recht entspanntes Verhältnis, was nicht heißt, dass wir immer übereinstimmen. In Sicherheitsfragen sind wir eher uneins, bei Energie, Verbraucherschutz und Tierwohl sieht das vielleicht schon anders aus. Ich sehe zum Beispiel den ständigen Gegensatz zwischen traditioneller und ökologischer Landwirtschaft entspannter als andere. Wir müssen mehr über landwirtschaftliche Produktion in Gänze in die Öffentlichkeit bringen. Die grundsätzliche Qualität unserer Lebensmittel – ob Bio oder nicht – war noch nie so hoch wie heute. Dank an unsere Bauern.