Braunschweig. In den nächsten acht Jahren gehen über 500 Geburtshelferinnen in Niedersachsen in den Ruhestand. Das Interesse am Beruf sinkt.

Bis Oktober ist Hebamme Patricia Könneker ausgebucht. Schwangere, die ihr Kind früher erwarten, müssen von es Hebamme zu Hebamme weiter versuchen. Das Problem: Freiberufliche Hebammen sind Mangelware, wie Sigrid Korfhage, Leiterin der Pro-Familia-Beratungsstelle in Braunschweig, aus ihrer Arbeit mit Schwangeren weiß.

„Wir sind von einer flächendeckenden Versorgung weit entfernt“, sagt Ramona Dujny, Vorsitzende des Hebammenverbandes Niedersachsen. Sie schätzt, dass rund 20 bis 30 Prozent der Schwangeren nicht versorgt werden können. Auch die Hebamme Lisa Lohse sagt, dass die Lage in ihrem Arbeitsumfeld in Wolfsburg und Helmstedt sehr schlecht wäre. „Ich muss vielen Frauen absagen.“ Bereits ab der fünften Schwangerschaftswoche erhalte sie Anfragen. Wie gravierend die Lage ist, lässt sich schwer sagen, denn genaue Zahlen gibt es nicht. Die Krankenkassen behaupten laut Dujny, es gebe genug Hebammen. Doch in den nächsten acht Jahren werden über 500 Hebammen in den Ruhestand gehen.

Patricia Könneker, neu gewählte Braunschweiger Kreisvorsitzende des niedersächsischen Hebammenverbandes, erzählt: „Mit 42 Jahren gehöre ich schon eher zu den jüngeren“, sagt Könneker. Zugleich steige bei Schwangeren und Müttern die Nachfrage einer Hebammen-Begleitung vor und nach der Geburt.

Was Sigrid Korfhage als schleichenden Prozess in eine Mangelversorgung beschreibt, bestätigt Marion Lenz, Sprecherin des Klinikums Braunschweig, auch für Geburtskliniken. Das Großkrankenhaus betreibt eine der wenigen Hebammenschulen in der Region und hat seine Ausbildungsplätze angesichts wachsender Geburtenzahlen und steigenden Bedarfs gerade von 12 auf 16 aufgestockt. Hätten sich vor einigen Jahren aber noch 800 Interessentinnen auf die 12 Plätze beworben, seien es heute nur noch 150 bis 200 auf 16 Plätze. „Und die bewerben sich gleichzeitig in allen Schulen.“

„Fakt ist: Hebamme ist ein harter Job“, vermutet Marion Lenz als einen Grund für die sinkenden Bewerberinnenzahlen. Eine hohe Arbeitsbelastung, Arbeit auf Abruf und rund um die Uhr führen auch dazu, dass viele ausgebildete Hebammen aus dem Beruf wieder aussteigen. Mit Folgen für Geburtskliniken: „Auf dem Markt gibt es kaum noch erfahrene Hebammen“, schildert Lenz die Situation. Auf jährlich etwa drei ausgeschriebene Hebammen-Stellen im Braunschweiger Klinikum kommen laut Marion Lenz drei bis fünf Bewerberinnen. „Hebammen können sich heute aussuchen, wo sie arbeiten möchten.“ Und wie. Viele beschränken sich im Krankenhaus auf Teilzeit – und kombinieren das zum Beispiel mit freiberuflicher Arbeit. Was im Krankenhaus wiederum zu einem höheren Personalbedarf führt: Die aktuell 16,5 Stellen im Klinikum sind mit 25 Hebammen besetzt.

Über die prekäre Lage kann auch eine neu aufgelegte und aktualisierte Broschüre nicht hinwegtäuschen, in der Pro Familia die freiberuflichen Hebammen in Braunschweig und Umgebung auflistet. 29 Hebammen und Hebammen-Praxen für Braunschweig und 9 für die Region sind darin mit ihren Leistungen von der Babymassage bis zur Hausgeburt zusammengefasst. Immerhin erleichtert der Flyer die Suche. Und das ist für Sigrid Korfhage wichtig: Denn in den Hebammen sieht sie die Expertinnen für den natürlichen Geburtsprozess. „Für Frauen ist es eine große Entlastung, wenn sie mit ihren Sorgen und Fragen vor und nach der Geburt nicht allein dastehen.“

Um die natürliche Geburt geht es auch am heutigen Internationalen Hebammentag. In Braunschweig informieren Hebammen auf dem Kohlmarkt von 12 bis 15.30 über ihre Arbeit. Das Motto: „Es ist nicht egal, wie wir geboren werden.“