Braunschweig. Bulgaren oder Rumänen haben in der EU großen Nachholbedarf, erklärt die Förderbank. Auch in der Region gibt es große Unterschiede.

Unser Leser Peter von Uhlingen fragt:

Nach welchen Maßnahmen verteilt die N-Bank denn Fördermittel?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Es ist Segen und Fluch zugleich: Unserer Region geht es trotz des Abgas-Skandals beim größten Arbeitgeber Volkswagen offenbar immer noch sehr, sehr gut. Zumindest gilt diese Aussage im Vergleich zu den drei weiteren Regionen in Niedersachsen. Das führt dazu, dass unsere Region vergangenes Jahr vergleichsweise wenig Fördermittel der EU, des Bundes und des Landes erhalten hat.

Das beantwortet die Frage unseres Lesers schon teilweise. Je nach Fördertopf gelten zwar unterschiedliche Richtlinien, aber generell gilt: Wem es besonders schlecht geht, der bekommt mehr Förderung. Die 97,5 Millionen Euro, die 2016 von der landeseigenen N-Bank in die Region flossen, sind zwar der höchste Wert seit Jahren. In anderen Landesteilen kam vergangenes Jahr aber sehr viel mehr an. In der strukturschwachen Region um Lüneburg mit Landkreisen wie Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Cuxhaven oder Rotenburg ist der Bedarf viel höher als in unserer Industrie- und Forschungsregion. In den Bereich um Lüneburg flossen stolze 192,5 Millionen Euro. Das waren 30 Prozent. In unserer Region kamen lediglich 15 Prozent an. Selbst die Region Leine-Weser mit der Landeshaupstadt Hannover hat knappe 70 Millionen Euro mehr erhalten als unsere Region.

Einen ähnlichen Wert erzielte die Region Weser-Ems rund um Oldenburg und Osnabrück. Diese Region mit dem Emsland und dem sogenannten Schweinegürtel mit den Landkreisen Vechta und Cloppenburg war lange so etwas wie das Armenhaus Niedersachsens. Das ist längst vorbei, hier hat sich ein starker und innovativer Mittelstand angesiedelt. Dass weiterhin viele Fördermittel nach Weser-Ems fließen, liegt vor allem an der Findigkeit und dem Zusammenhalt der Landkreise dort. Ex-Ministerpräsident Gerhard Glogowski sagte einst im Scherz: „Die stehen wie Spargel.“ Was er meinte: Da passt nichts dazwischen. Die Kommunen sind sich einig, welche Projekte sie anmelden wollen – und sind zumeist erfolgreich. Bezogen auf die Frage unseres Lesers heißt das: Der Bedarf allein genügt nicht, er muss angemeldet werden. Und beim Stellen der Anträge ist Geschick gefragt. Wer zu viele verschiedene Dinge gefördert haben will, bekommt vielleicht am Ende nichts.

Daniela Behrens, Staatssekretärin im Landeswirtschaftsministerium, stellte die Zahlen unserer Zeitung zusammen mit Sabine Johannsen, Vorstandsmitglied der N-Bank, und dem Landesbeauftragten für unsere Region, Matthias Wunderling-Weilbier (SPD), vor. Etwa zwei Drittel der insgesamt 653 Millionen Euro, die die Förderbank vergangenes Jahr verteilt hat, stammten von der EU, der Rest vom Bund und vom Land. Behrens: „Ohne EU-Förderung würde es dunkel aussehen.“ Das gilt wohl besonders für die Region um Lüneburg.

Behrens erklärte, dass unsere wirtschaftlich starke Region tendenziell immer weniger Fördergeld erhalten werde. „Die Strukturschwäche baut sich aber in ganz Niedersachsen immer weiter ab.“ Osteuropäer wie Bulgaren oder Rumänen hätten einen riesigen Aufholbedarf.

Wunderling-Weilbier erklärte, dass sieben von zehn Anträgen aus unserer Region bewilligt würden. Behrens sagte dazu: „Diese Region war über viele Jahre hinweg das Netzwerken nicht gewohnt. Die Städte und Landkreise haben sich gegenseitig sogar eher behindert, so dass vergleichsweise wenig Förderanträge gestellt wurden.“ Johannsen sagte: „Wir können nur fördern, wenn wir auch gute Anträge erhalten.“

Die Zahl der Anträge und auch die Qualität der Anträge aus unserer Region habe sich deutlich geändert, sagte Wunderling-Weilbier. Er sprach sogar davon, dass die Antragszahl „explodiert“ sei. So werde es alleine im Bereich des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (Eler) aus unserer Region von 2016 bis 2020 etwa 750 Förderanträge geben. In der Förderperiode zuvor seien es noch deutlich weniger gewesen. Wunderling-Weilbier: „Die gute Botschaft ist, dass für viele Projekte auch noch Geld da ist.“

Zwar nahmen Wunderling-Weilbier und auch Behrens die Städte und Landkreise in der Region in Schutz. Behrens etwa sagte: „Ich kann keine Landkreise erkennen, die sich 2016 nicht angestrengt hätten.“ Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. So gibt es auch innerhalb unserer Region große Unterschiede. Salzgitter und der Landkreis Helmstedt fallen deutlich ab. Dabei haben gerade diese beiden mit einem hohen Schuldenstand zu kämpfen, hätten die Fördermittel dringend nötig. Salzgitter erhielt von der N-Bank lediglich 3,3 Millionen Euro, der Kreis Helmstedt sogar nur 1,5 Millionen Euro.

Die Kreise Göttingen und Goslar, aber auch die Stadt Braunschweig holten viel Fördergeld ein. Für Göttingen und Goslar überrascht das nicht. Die Landesregierung hatte die beiden Landkreise neben Northeim und Osterode als strukturschwach in der Region ausgemacht, legte das Südniedersachsen-Programm auf. Wunderling-Weilbiers Behörde hat ein eigenes Büro in Göttingen eröffnet. Hier werden die Kreise gezielt bei den Förderanträgen unterstützt. Braunschweig und Wolfsburg haben große Verwaltungen, der Landkreis Helmstedt zum Beispiel nicht. Hier fehlt eine Art Regionalmanagement. Die Oberbürgermeister Ulrich Markurth und Klaus Mohrs aus Braunschweig und Wolfsburg hingegen haben das Einholen von Fördermitteln zu einer Chefsache gemacht. Sie besuchen Wunderling-Weilbiers Behörde am Bohlweg in Braunschweig regelmäßig. Es zahlt sich offenbar aus.

Zur Ehrenrettung Salzgitters muss gesagt werden, dass die Stadt an einige Fördertöpfe gar nicht erst herankommt. Das klingt unsinnig bei einer Stadt mit solch großen Problemen. Oberbürgermeister Frank Klingebiel hatte jüngst einen Hilferuf an das Land Niedersachsen wegen der hohen Zahl an Flüchtlingen gesendet.

Beim Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) etwa werden Salzgitter, aber auch der Landkreis Gifhorn und Wolfsburg gar nicht erst berücksichtigt. Für Salzgitter ist das besonders bitter, denn der hohe Schuldenstand ist kein Kriterium. Stattdessen schlägt das hohe Bruttoinlandsprodukt in diesem Fall negativ für die Stahlstadt zu Buche. In Salzgitter gibt es nicht nur die Salzgitter AG, sondern auch ein VW-Werk, Alstom-, Bosch- und Siemens-Niederlassungen.