Braunschweig. Menschen in unserer Region müssen sich auf die riesige unterirdische Stromtrasse Südlink einstellen. Das Landvolk verlangt eine Entschädigung.

Unsere Leserin Inge Scholz aus Braunschweig fragt:

Sind die Pläne derart, dass die Erdkabel neben Straßen, Autobahnen und Eisenbahnstrecken verlaufen?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Der Bau gigantischer unterirdischer Stromtrassen quer durch Deutschland für die Energiewende nimmt konkrete Formen an. Seit Jahren schon schwebt die Mega-Trasse Südlink wie ein Damoklesschwert über unserer Region. Wie es aussieht, müssen sich die Menschen zwischen Harz und Heide neben der Stromtrasse Wahle-Mecklar nun auch mit dem großen Bruder Südlink anfreunden.

Der Südlink verläuft von Wilster in Schleswig-Holstein nach Grafenrheinfeld in Bayern. In unserer Region soll er durch den Landkreis Peine, die Wolfenbütteler Exklaven Baddeckenstedt und Burgdorf, Seesen im Landkreis Goslar sowie einige Gemeinden im neuen Landkreis Göttingen führen. Die insgesamt 800 Kilometer lange Trasse soll die „Hauptschlagader“ der Energiewende werden. Im Jahr 2022 geht in Deutschland das letzte Atomkraftwerk vom Netz, die Zeit drängt also.

Tennet-Manager Lex Hartmann sagte, beim Südlink habe es dennoch die bislang größte Bürgerbeteiligung beim Netzausbau gegeben: „Uns ist es wichtig, einen Korridor zu finden, der Mensch und Natur möglichst wenig belastet.“ Das klingt fast schon zu ehrenwert. Kommunen betonen aber auf Anfrage, dass Tennet sich Mühe gebe, die Pläne möglichst transparent zu gestalten. Der Bau der Mega-Stromtrasse ist schon sensibel genug. Tennet scheut offenbar weitere Konflikte.

Südlink neu

Der Betreiber denkt aber im Sinne unserer Leserin nicht daran, die Erdkabel möglichst neben Straßen, Autobahnen und Eisenbahnstrecken zu verlegen. Das soll zwar hier und da geschehen, aber nicht konsequent. Peter Gosslar von der Bürgerinitiative HGÜ-Erdkabel kritisiert das. Es hätte mehr Sinn gemacht, den Südlink zum Beispiel entlang der A 7 zu führen, sagte er.

Tennet selbst setzt aus Kostengründen auf einen möglichst kurzen und gestreckten Verlauf der Stromtrasse. Da die Kabel unterirdisch verlegt werden, muss der Betreiber auch Siedlungen und Naturparks sowie die Bodenbeschaffenheit oder das Gelände mit einbeziehen.

Die Pläne für den Verlauf stoßen auf ein geteiltes Echo. Freudig reagierten die Kreise Verden und Hildesheim sowie das Weserbergland. Vor allem hier gab es massive Proteste. Dortige Bundestagsabgeordnete feierten den geplanten Verlauf als großen Erfolg.

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In unserer Region kam die Tennet-Entscheidung natürlich nicht gut an. Der Landtagsabgeordnete Marcus Bosse (SPD) aus Wolfenbüttel sagte: „Es war zu befürchten, dass es so kommt.“ Bosse kündigte Widerstand an, damit am Ende vielleicht doch einer der Alternativ-Korridore westlich von Hannover ausgesucht werden. Bosse sagte, dass er Kontakt zu Bundespolitikern aufnehmen werde. Der Südlink wird nach aktuellem Stand mitten durch den Wahlkreis von Vizekanzler Sigmar Gabriel verlaufen. Dieser hatte sich bereits dafür eingesetzt, dass bei der eigentlich komplett als Freileitung geplanten Trasse Wahle-Mecklar in seinem Wahlkreis Erdkabel verlegt werden.

Matthias Wunderling-Weilbier (SPD), der Landesbeauftragte in unserer Region, versteht den Ärger von Bürgern, wie er sagte. Er hält den Südlink-Verlauf im Gegensatz zu seinem Parteifreund Bosse aber für vertretbar. Für die Energiewende seien die Strom-trassen einfach notwendig.

Burgdorfs Bürgermeister Bernd Brandes sagte: „Wir schreien jetzt nicht Hurra.“ Er fordert, dass die Lasten gleichmäßiger verteilt werden. Mit Blick auf die geplante Trasse Wahle-Mecklar, von der seine Gemeinde ebenfalls betroffen ist, sagte Brandes: „Die erste Trasse ist noch nicht einmal gebaut, da soll schon die nächste kommen.“ Der Bürgermeister fordert, dass die zusätzliche Belastung für die Landwirte und Grundstückseigentümer erträglich gemacht wird. „Wir verlangen Entschädigungen“, sagte er.

Das fordert auch das Braunschweiger Landvolk. Deren Vorsitzender Ulrich Löhr hat bereits ganz konkrete Vorstellungen, die er mit anderen Landvolk-Verbänden abgestimmt hat. 35 Euro sollen es pro laufenden Meter und Jahr sein. „Wenn man die angestrebten Kosten von 10 Milliarden Euro beim Südlink sieht, ist das im Verhältnis gering.“ Auf die gesamten 800 Kilometer umgerechnet entspräche die Entschädigung 28 Millionen Euro pro Jahr.

Eigentlich sollte die Südlink-Trasse als Freileitung mit riesigen Stahlträgern gebaut werden. Dann gab es massenhafte Bürgerproteste, die Bundesregierung lenkte ein, die Leitungen werden nun unterirdisch verlegt. Das hat seinen Preis. Der politisch gewollte Vorrang für Erdkabel wird die Kosten beim Südlink von drei Milliarden auf bis zu zehn Milliarden Euro in die Höhe treiben. Das müssen private Kunden und die Industrie über höhere Netzentgelte bezahlen.