Braunschweig. Der Afrika-Experte erklärt im Interview, warum die politische Entwicklung im kleinsten Land ein Vorbild für ganz Afrika sein kann.

22 Jahre herrschte Diktator Yahya Jammeh im westafrikanischen Gambia. Dann wurde er abgewählt, weigerte sich aber über Monate hinweg, das Wahlergebnis anzuerkennen. Die rasche Intervention afrikanischer Truppen zeigte Wirkung. Jammeh floh. Haben die Afrikaner also „endlich“, wie manche Beobachter es nannten, ihre Probleme selbst gelöst? Jammehs gewählter Nachfolger ruft jetzt Gambier in aller Welt zur Rückkehr auf, um das Land wieder aufzubauen. Warum diese Entwicklung auch für Europa gut ist, darüber sprach Dirk Breyvogel mit Afrika-Kenner Prinz Asfa-Wossen Asserate.

Sie verlangen von Afrika seit Jahren, sich von Europa zu emanzipieren. Ist die Entwicklung in Gambia dafür ein gutes Beispiel?

Dass, was in Gambia passiert ist, ist hoffentlich ein Vorbote für ein neues afrikanisches Handeln. Es ist ein einmaliger Vorgang, dass die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas (Economic Community Of West African States) Soldaten in ein Land geschickt hat, um dem demokratisch gewählten Vertreter des gambischen Volkes dazu zu verhelfen, was ihm zusteht: die Macht zu übernehmen.

Welche Rolle hat die Afrikanische Union (AU) gespielt?

Im westafrikanischen Gambia leben rund 1,8 Millionen Menschen.
Im westafrikanischen Gambia leben rund 1,8 Millionen Menschen.

Ich gehe davon aus, dass die AU das Vorgehen der Ecowas sanktioniert hat. Die Gründungsväter der AU hatten übrigens schon 1963 im äthiopischen Addis Abeba die Idee, eine militärische Sondereinheit zu installieren. Leider ist es nie zu der Gründung eines solchen stehenden Heeres gekommen. Daher stellt der Fall in Gambia ein Novum dar.

Kann es sein, dass die militärische Intervention auch deshalb geschah, weil Gambia so klein ist?

Es kann sein, dass die Größe Gambias bei dieser Intervention eine Rolle gespielt hat. Es wäre viel schwieriger gewesen, die SADC, das Äquivalent für die Ecowas im südlichen Afrika, dazu zu bewegen, zum Beispiel in den kaputten Staat Simbabwe einzumarschieren. Wichtig ist aber, dass hier ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der hoffentlich oft nachgeahmt werden wird.

Wie sieht aus Ihrer Sicht künftig die Hilfe für die „Dritte Welt“ aus?

Die größte Hilfe, die der Westen Afrika geben kann, ist, die Schaffung rechtsstaatlicher Institutionen zu unterstützen. Die jungen Afrikaner, die fast zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen, in ihren eigenen Ländern in Brot und Arbeit zu bringen, wäre dann die zweitwichtigste Aufgabe, die Europa zu meistern hätte. Selbstverständlich muss die Nothilfe für Afrika weiterhin bestehen, wo zum Beispiel jetzt über 20 Millionen Menschen in Nigeria, Sudan und Somalia vom Hungertod betroffen sind.

Gambia ruft seine ausgewanderten Einwohner zurück, um das Land aufzubauen. Wenn das Modell Gambia Schule macht: Ist das die Lösung des europäischen Flüchtlingsproblems?

Die Abwanderung von gebildeten Afrikanern nach Europa oder Amerika in den letzten Jahrzehnten hat diesem Kontinent sehr geschadet. Ich bin überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit der in der Diaspora lebenden afrikanischen Eliten sofort in ihre Heimatländer zurückkehren würde, wenn sie dort Verhältnisse vorfänden, die ihr Leben nicht bedrohen und wo sie sich frei entwickeln können. Diesen Menschen diesen Weg zu ebnen, wäre in der Tat einer von vielen Ansätzen, um das europäische Flüchtlingsproblem zu lösen. Meine These ist, dass man allein durch wirtschaftliche Hilfe in Afrika nichts bewirken kann, wenn nicht gleichzeitig eine politische Entwicklung zu sehen ist.

Könnten Auffanglager in Nordafrika die Situation verbessern?

Der neue deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat zu Recht betont, dass man den Fehler nicht begehen sollte, die Flüchtlingsvereinbarung, die man mit der Türkei getroffen hat, auf Länder wie Tunesien und Libyen anzuwenden, weil die Strukturen in diesen Ländern völlig zerstört sind. Europa sollte endlich akzeptieren, dass die afrikanischen Gewaltherrscher die größten Exporteure von Migranten weltweit sind. Die Politik des Appeasements, der Beschwichtigung, die viel zu lange vorherrschte, führt nicht zum Ziel.