Braunschweig. Der Braunschweiger Ulrich Koch kämpft weiter für das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. Morgen geht der Rechtsstreit in die nächste Runde.

Ulrich Koch hätte längst aufgeben können. Seit fast 13 Jahren kämpft der Braunschweiger für ein Recht auf Sterbehilfe, er kämpft für sich und seine ehemalige Frau, die nach einem Unfall vom Hals abwärts gelähmt war und so nicht mehr leben wollte. Und es geht auch um eine grundsätzliche Entscheidung, wie der Staat mit dem Recht auf ein würdevolles Sterben umgehen will. Morgen befasst sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Fall. „Warum sollte er so kurz vor dem Ziel aufgeben?“, fragt sein Anwalt Detlef Koch.

Schon einmal hatte sich der 74-Jährige durch alle Instanzen geklagt – bis nach Straßburg, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In dem Rechtsstreit geht es um seine damalige Frau Bettina: 2002 stürzt sie vor ihrer Haustür schwer und ist seitdem vom Hals abwärts gelähmt; sie hat starke Schmerzen und muss künstlich beatmet werden; das Leben ist für sie zur Qual geworden. Deshalb wendet sie sich an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Sie fragt nach einer in hohen Dosen tödlichen Arznei, doch die Behörde lehnt ihren Antrag ab: Betäubungsmittel dürften nur für die notwendige medizinische Versorgung abgegeben werden, heißt es. 2005 nimmt sich die 53-Jährige mit Hilfe des Vereins Dignitas in der Schweiz das Leben.

Noch zu Lebzeiten gibt Ulrich Koch seiner Frau das Versprechen, für ihr Recht auf einen selbstbestimmten Tod zu kämpfen. Die deutschen Gerichte lehnen seine Klagen ab – weil eine Verstorbene nicht mehr klagen dürfe und er als Ehemann nicht betroffen sei. Das sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anders und rügt schließlich im Juli 2012, die deutschen Richter hätten sich mit dem Fall Ulrich Koch befassen müssen. Also zieht er wieder vor das Verwaltungsgericht Köln, dann vor das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Und nun das Bundesverwaltungsgericht.

Über das Recht auf ein würdevolles Sterben wird in Deutschland seit Jahren diskutiert. Es ist ein sensibles Thema, das Politiker, Ärzte und Juristen gleichermaßen an ethische und rechtliche Grenzen führt. Wie selbstbestimmt darf ein Mensch über sein Leben entscheiden? Wie weit muss der Staat seine Bürger vor Missbrauch schützen?

2015 hatte der Bundestag die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten. Die Politiker wollten verhindern, dass Vereine Geld damit verdienen, wenn sie Menschen die tödlichen Medikamente reichen. Doch Widersprüche bleiben. „Wenn eine Frau ohne die Hilfe von anderen nach einem Mittel verlangt, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten, bleibt sie nach heutigem Recht straffrei“, sagt Detlef Koch. Wenn ihr Mann ihr dabei geholfen hätte, wäre das ebenfalls kein Unrecht. „Also kann man doch nicht die Wege verschließen, dass ein Sterbewilliger auch an die entsprechenden Medikamente kommt.“

Nach Überzeugung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts wollte der Gesetzgeber, dass niemand Betäubungsmittel erhalten soll, um sich zu töten. Gleichzeitig räumt es in seinem Urteil aber auch ein, dass eine klare gesetzliche Regelung fehlt. Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurückweisen, werden Detlef Koch und sein Mandant vor das Bundesverfassungsgericht ziehen – die letzte Möglichkeit, den Fall von einem deutschen Gericht klären zu lassen. Scheitert auch das, bleibt noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Wieder einmal. Detlef Koch und sein Mandant hoffen, dass es dann endlich eine Grundsatzentscheidung geben wird, ein Urteil, das den Gesetzgeber zwingt, Ausnahmen vom strengen Verbot zu definieren: In begründeten Fällen sollte die Abgabe von tödlichen Mitteln zugelassen werden. „Die Straßburger Richter haben damals gesagt, dass sich die Gerichte in Deutschland mit dem Fall beschäftigen müssen – den Weg haben wir wieder beschritten“, sagt Detlef Koch. Wenn es hier zu keiner Entscheidung kommt, müsse sich der Europäische Gerichtshof endlich auch inhaltlich mit dem Recht auf Sterbehilfe auseinandersetzen. „Ulrich Koch hat seiner Frau versprochen, für sie weiter zu kämpfen – das Versprechen wird er einlösen.“