Braunschweig. Landeschef Hampel stärkt dem Rechtsaußen den Rücken. An der Parteibasis richtet sich der Zorn vielmehr auf Parteichefin Petry.

War Björn Höckes umstrittene Dresdner Rede jetzt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Oder kann der AfD-Landeschef aus Thüringen den Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen? Höcke, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin „Denkmal der Schande“ nannte, erhält vom Landesverband in Niedersachsen Rückendeckung. Parteichef Armin Paul Hampel stimmte als Mitglied des Bundesvorstands gegen den Rauswurf von Rechtsaußen Höcke.

„Ich bin Pragmatiker“, sagte Hampel. Parteiausschlüsse seien schwer umzusetzen, das zeige die Erfahrung aus anderen Parteien, sagte Hampel. Der gelernte Journalist arbeitete einst als Hauptstadt-Korrespondent in Bonn und später in Berlin sowie als Auslands-Korrespondent in Südostasien für mehrere Fernsehsender, darunter auch die ARD.

Doch offenbar nicht nur aus formalen Gründen lehnt Hampel einen Rauswurf Höckes aus der AfD ab. Auch inhaltlich ist Hampel vom Thüringer wohl nicht ganz so weit entfernt wie gedacht. Zu Höckes Dresdner Rede sagte Hampel nun: „Wer mich kennt, weiß, dass das nicht mein Sprachduktus ist.“ Übersetzt mag dieser verklausulierte Satz bedeuten: Inhaltlich war Höckes Rede vom 17. Januar ganz okay, nur hätte Hampel diesen anders formuliert. Sicher nicht so provokant.

Zum Inhalt der Rede Höckes wollte sich Hampel am Telefon nicht weiter äußern. Dann schob er doch noch einen Satz nach: „Über die Erinnerungskultur kann man in der Tat trefflich streiten.“ Höcke hatte in Deutschland eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad gefordert und beklagt, die positiven Elemente der deutschen Geschichte würden im Vergleich zu den Gräueltaten der Nazis nicht genügend beachtet. Man müsse eine Meinungsvielfalt in der AfD aushalten, sagte Hampel mit Blick auf Höcke.

Ähnlich argumentierte Oliver Westphal, Kreisvorsitzender der AfD Gifhorn-Peine. Er sagte: „Wir brauchen eine Bandbreite, da gehört ein liberaler Herr Meuthen aus Baden-Württemberg genauso dazu wie ein Herr Höcke.“ Man könne vortrefflich über dessen Formulierungen streiten. „Da bin ich auch nicht immer mit zufrieden“, sagte Westphal. „Aber ein Rauswurf Höckes würde die Partei spalten. Außerdem würde das viele Wähler kosten.“ Die Diskussion beschrieb Westphal nüchtern als „kontraproduktiv“.

Andere in der Partei haben laut Westphal mehr Probleme damit, ihre Gefühle im Zaum zu halten. „Frauke Petry ist schwanger. Da werden Frauen schnell emotional.“ Die Parteichefin habe ein persönliches Problem mit Höcke. „Das ist ein Machtspiel. Sie hat Angst vor ihm“, sagte Westphal. Petry fürchte den großen Zuspruch Höckes im Osten Deutschlands. Das sei eine Machtbasis.

Er habe am Montag viel telefoniert, sagte Westphal. „Was ich an der Parteibasis gehört habe, war viel Wut – gegenüber Petry.“ Westphal fragte: „Muss diese Diskussion im Jahr der Bundestagswahl sein?“

Höcke sei provokant. Man müsse ihm jetzt aber erst einmal nachweisen, dass er parteischädigend gehandelt habe. Im Gegenteil, so Westphal: „Die AfD hatte nach seiner Rede sogar Zulauf.“

Dass die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz nun Stimmen im Lager der AfD holt, glauben weder Hampel noch Westphal. Hampel meinte in Anspielung auf Schulz’ Ausbildung: „Wir hatten schon gewichtigere Buchhändler in Deutschland, die etwas zu sagen hatten.“

Der AfD-abtrünnige Andreas Boom erklärte: „Durch das, was gerade in der Partei abläuft, fühle ich mich in meinem Austritt absolut bestätigt.“ Boom führte bis zum Sommer 2015 den Kreisverband Wolfenbüttel. Auf dem Parteitag in Essen folgte er Ex-Parteichef Bernd Lucke und verließ die AfD. Damals gewann Petry den Machtkampf gegen Lucke. „Ich bin wegen des offensichtlichen Rechtsrucks ausgetreten“, sagte Boom, der nun Vorsitzender der Partei Alfa im Braunschweiger Land ist und im Landesvorstand der Partei sitzt.

Boom ist Jurist. Er schätzt die Erfolgsaussichten Petrys gering ein, sagte: „Höcke hat sich nichts zuschulden kommen lassen, was einen Parteiausschluss rechtfertigt.“ Auch er meinte: „Ich glaube, dass Petry Höcke fürchtet.“

Daniel Biermann, der Landes-Sprecher der AfD, hielt sich in der Causa Höcke weitgehend zurück. Inhaltlich wollte er gar nichts sagen. Zum Meinungsbild im Landesverband gab er folgende Einschätzung ab. Unzufrieden mit Höckes Rede sind viele. Der Grad der Unzufriedenheit ist aber sehr unterschiedlich ausgeprägt.“ Das Spektrum in Niedersachsen reiche von liberal bis national. „Es gibt keinen bestimmenden Flügel.“