Braunschweig. An vielen Straßen im Land ist die Schadstoff-Belastung sehr hoch. Braunschweig hat 2016 aber erstmals den Grenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten.

Unser Online-Leser, der sich Rot Gelb Grün nennt, fragt:

Wo befindet sich eigentlich nun die Luftmessstation in Braunschweig?

Die Antwort recherchierten Hannah Schmitz und unsere Agenturen

Dicke Luft in etlichen niedersächsischen Städten: An vielen Straßen ist die Belastung mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen am oberen Limit oder liegt über den Grenzwerten, wie die Messwerte für 2016 ergeben haben. Betroffen sind die Städte Braunschweig, Göttingen, Hameln, Hannover, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück. Dies geht aus vom Umweltbundesamt ausgewerteten Daten sowie den Messungen der Gewerbeaufsicht in Niedersachsen hervor. Die gute Nachricht: Die Feinstaubbelastung, die vor einigen Jahren noch zu hoch war, liegt überall unter den Grenzwerten.

„Die Grenzwerte sind nicht aus hohler Hand geschüttelt, sie sind toxikologisch begründet.“
„Die Grenzwerte sind nicht aus hohler Hand geschüttelt, sie sind toxikologisch begründet.“ © Müfit Bahadir, emeritierter Professor für Umweltchemie, TU Braunschweig

Braunschweig ist es, wie Göttingen, 2016 erstmals gelungen, den vorgegebenen Grenzwert für Stickstoffdioxid einzuhalten: Hier wurde ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) gemessen. Das ist gleichzeitig der Grenzwert. Braunschweig ist zudem in unserer Region die einzige Stadt neben Salzgitter und Wolfsburg, in der die Luftqualität gemessen wird. In Salzgitter wird mit einer Hintergrundstation an der Drütter Straße für die Industrie gemessen. In Wolfsburg stehen Messstationen am Krähenhoop und an der Heßlinger Straße. Dort liegt der Wert bei 35 µg/m³ im Jahresschnitt. „Obwohl das eine vielbefahrene Straße ist“, sagt Stadtsprecher Ralf Schmidt. „Das ist erfreulich.“

In Braunschweig kommen gleich vier Messstationen zum Einsatz: Am Bohlweg, an der Hildesheimer Straße, in Sender, Broitzem und am Altwiekring. „Die Jahresmittelwerte für Feinstaub und für Stickstoffdioxide sinken in Braunschweig seit Jahren“, lässt die Stadt Braunschweig dazu verlauten. Eine Reihe von Maßnahmen der Stadtverwaltung habe in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Schadstoffbelastung zu verringern. So etwa die Reduzierung des Durchgangsverkehrs durch Sperrung der Innenstadt für große LKW – Ausnahme ist der Anlieferverkehr – der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder die Modernisierung des Fuhrparks der Verkehrs-GmbH. Am Altwiekring sorgt eine Ampelschaltung dafür, dass der Nachschub an Fahrzeugen bei drohender Grenzwertüberschreitung um wenige Sekunden verzögert und so der Verkehrsfluss verbessert werden kann.

In Niedersachsen haben bisher nur zwei Städte – Hannover und Osnabrück – eine Umweltzone. Sie lassen „Fahrzeuge mit roter und gelber Plakette einfach nicht rein“, wie es unser Online-Leser Peper formuliert und es sich für Braunschweig wünscht. Ziel der Umweltplakette ist die Reduzierung der Stickstoffoxid- und Feinstaubbelastung in den Städten. Michael Köster, Leiter der Luftqualitätsüberwachung Niedersachsen, zweifelt allerdings an der Wirksamkeit dieser Maßnahmen: „Im Prinzip ist die Idee richtig, allerdings verhalten sich die Fahrzeuge anders, als man dachte, siehe Abgasreinigungssysteme. Wenn man etwas mit den Plaketten erreichen wollte, müsste man sie noch einmal neu überdenken“, glaubt er. Auch das Beispiel Hannover zeige, mit einer Schadstoffbelastung von 48 µg/m³, dass die schon vor Jahren eingerichtete Umweltzone dort noch nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hätte. Bisheriger Spitzenreiter der vorläufigen Daten ist übrigens Oldenburg mit einer Schadstoffbelastung von 50 µg/m³.

Als Ursache hoher Stickstoffdioxidbelastung in den Städten gilt vor allem der Autoverkehr, insbesondere verursacht durch alte Diesel-Autos, wie das Umweltbundesamt mitteilte. Schon seit längerem arbeiten die betroffenen Städte in Niedersachsen daher an Luftreinhalteplänen, die teils bereits zu Verbesserungen geführt haben, wie etwa auch in Braunschweig. Müfit Bahadir, emeritierter Professor für Umweltchemie an der TU Braunschweig, ist ein Verfechter der Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid. „Diese Grenzwerte sind nicht aus der hohlen Hand geschüttelt, sie sind toxikologisch begründet. Sie nicht einzuhalten, ist kein Kavaliersdelikt“, sagt er.

Drastischere Schritte für sauberere Luft, Fahrverbote – wie sie etwa für Hannover in die Überlegung gerieten – oder eine „Blaue Plakette“ für besonders saubere Autos sind bisher auf Widerstand gestoßen. Davon hält auch der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies nichts: „Das Thema Schadstoffbelastung in den Städten beschäftigt uns alle. Doch anstatt wieder eine neue Plakette einzuführen oder Fahrverbote für Millionen von Autofahrerinnen und Autofahrer auszusprechen, brauchen wir eine Kombination aus einzelnen Ansätzen“, sagte er unserer Zeitung. Er setzt dabei vor allem auf schadstoffarme Antriebstechniken wie bei der E-Mobilität. „Eine blaue Plakette“, hingegen „würde Millionen von Autofahrern bestrafen“, so Lies.

Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt erfüllt nur ein Bruchteil der 14,5 Millionen Diesel in Deutschland derzeit die angestrebte Euro-6-Norm. Mehr als 13 Millionen Fahrzeuge dürften deshalb nach einer möglichen Einführung der blauen Plakette nicht mehr in die Innenstädte. Das Verkehrsministerium geht sogar davon aus, dass „durch den ganz normalen Austausch der Flotten und dem immer größeren Anteil von Euro-6-Motoren“ die Schadstoffbelastungen kontinuierlich sinken werden. „Spätestens 2024 sind keine Überschreitungen in Niedersachsen mehr zu erwarten“, sagt die Ministeriums-Sprecherin Sabine Schlemmer-Kaune.

Dass Braunschweig nicht Umweltzone ist, bedauern CDU und SPD der Stadt Braunschweig nicht. Reinhard Manlik (CDU) etwa äußert: „Braunschweig regelt Umweltzonen anders.“ Es komme darauf an, das Mobilitätsverhalten der Verkehrsteilnehmer zu verändern und etwa das Radfahren durch städtebauliche Pläne zu fördern oder wie mit den Emil-Bussen die Elektromobilität voranzutreiben. „Überreglemetierung nützt nichts“, so Manlik. Nicole Palm (SPD), Vorsitzende im Planungs- und Umweltausschuss der Stadt, zeigt sich erfreut über die verbesserte Luftqualität in 2016.

„Das zeigt, dass Braunschweig mit seinen vielfältigen Maßnahmen auf dem richtigen Weg ist. Es geht auch ohne Plakette.“ Allerdings, räumt Palm ein, müsse sich die Stadt den Luftreinhalteplan wieder vor die Brust nehmen und prüfen, ob die damals beschlossenen Maßnahmen noch die richtigen seien. Die Grünen hingegen halten es für sinnvoll, dass die Stadtverwaltung die Wirksamkeit einer Umweltzone prüfen lässt. Allerdings stelle sich schon die Frage nach der Wirksamkeit, da vermutlich „weit über 90 Prozent der Autos die grüne Plakette bekommen“, so Fraktionsgeschäftsführer Volker Schmidt.

Niedersachsen plant derweil weitere Maßnahmen, um die Schadstoffbelastungen der Luft zu verringern. In einem mehrjährigen Modellversuch mit Tempo 30 auf innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen soll etwa ermittelt werden, ob dadurch die Luftqualität verbessert, Lärm reduziert und die Verkehrssicherheit gesteigert werden kann.