Goslar. Beim Verkehrsgerichtstag ging es auch um Radfahrer. KFZ-Notbremssysteme und bauliche Veränderungen an Unfallschwerpunkten sollen sie besser schützen.

Unser Leser Jens Thurow aus Wolfsburg fragt:

Warum werden nicht mehr Fahrradstraßen in den Städten eingerichtet?

Die Antwort recherchierte Dirk Breyvogel

Über Infrastrukturmaßnahmen für Radfahrer auf deutschen Straßen wurde auf dem Verkehrsgerichtstag (VGT) in Goslar mitunter hitzig diskutiert. Über das Thema Fahrradstraßen wurde allerdings nicht explizit gesprochen. Im Mittelpunkt standen die Fahrstreifen oder Schutzstreifen, die innerorts den Radverkehr von den Fahrbahnen der motorisierten Verkehrsteilnehmer trennen.

Die vom Leser angesprochenen Straßen stellen einen Sonderfall im deutschen Straßennetz dar. Hier gelten für den Radfahrer besondere Rechte, an denen sich auch die anderen Verkehrsteilnehmer orientieren müssen. So dürfen Radfahrer auch nebeneinander fahren. Dies ist im allgemeinen Straßennetz nur erlaubt, wenn der restliche Verkehr nicht behindert wird. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) fordert auf Nebenstraßen den Ausbau dieser Straßen, von denen es etwa 300 in Deutschland gibt. „Viele von denen verdienen den Namen aber gar nicht“, sagt ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork. Er nennt aus seiner Sicht das Positiv-Beispiel der Niederlande, die mit Schildern auf die Besonderheit einer Fahrradstraße hinweisen: „Autofahrer zu Gast, ist da zu lesen“, sagt Stork.

Es sei aber unrealistisch, in Deutschland Fahrradstraßen flächendeckend einzuführen, so Stork. Auf Hauptstraßen in Großstädten – auf denen laut wissenschaftlicher Studien nach wie vor die meisten Unfälle passieren – gehe es darum, infrastrukturelle Lösungen zu finden, die alle – Radfahrer, Auto- und Lastwagenfahrer und Fußgänger – zufriedenstellten und ein Plus an Sicherheit garantierten.

„Es gibt kein natürliches Recht auf einen Parkplatz vor der Tür.“
„Es gibt kein natürliches Recht auf einen Parkplatz vor der Tür.“ © Burkhard Stork, ADFC-Bundesgeschäftsführer

Jörg Ortlepp ist als Unfallforscher beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft angesiedelt. Er hat in Goslar die Notwendigkeit deutlich gemacht, Unfälle an städtischen Knotenpunkten mit Hilfe von Baumaßnahmen zu verhindern. Ortlepp, selbst Bauingenieur, erklärte, Sichtbehinderung an Kreuzungen müssten beseitigt werden. Wenn das nicht gehe, sollte zumindest klar sein, dass künftige Bauinvestitionen auch die Straßensituation im Auge haben müssten. Zudem sieht er die Notwendigkeit, Ampelsysteme zu modernisieren. Es müsse gewährleistet werden, dass sich die Rot- und Grünphasen für Radfahrer und KFZ-Halter optimalerweise nicht überschneiden.

ADFC-Mann Stork sagt, dass das Verständnis beim Autofahrer steigen müsse, auf Kurzstrecken-Fahrten zu verzichten. Er fordert in Großstädten mehr Platz für gut ausgebaute Fahrradstreifen und will im Zweifel die Zahl der Parkplätze an Seitenstreifen reduzieren. „Es gibt Untersuchungen, dass bei Autofahrern ein Lerneffekt einsetzt, wenn er, statt vor der Tür parken zu können, einige hundert Meter zu seinem eigentlichen Ziel laufen muss. Dann fragt er sich, ob er nicht generell das Fahrrad hätte nehmen sollen. Es gibt kein natürliches Recht auf einen Parkplatz vor der Tür“, sagt Stork. Ausnahmen für Anlieger müsste es aber weiterhin geben.

Der VGT plädiert dafür, durchgehende Radverkehrsnetze zu schaffen. Die Infrastruktur für Radfahrer solle „generell einfach, selbsterklärend und sicher“ gestaltet werden und den Standards für Straßenbau- und Verkehrswesen entsprechen, hieß es. Die Teilnehmer forderten zudem speziell ausgebildete und ausgerüstete Fahrrad-Staffeln der Polizei für Städte mit nennenswertem Fahrradverkehr. Dies würde zu mehr Akzeptanz der Verkehrsregeln bei Rad- und Kraftfahrern führen. Außerdem solle sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass Kraftfahrzeuge künftig mit Fahrassistenten ausgerüstet werden, die Kollisionen mit Radfahrern zu verhindern helfen, etwa Abbiegeassistenten bei LKW oder Notbremsassistenten bei Autos.