Braunschweig. Auch in unserer Region stellen Einsatzkräfte von Feuerwehren und Polizei zunehmend Respektlosigkeit fest: Bei Gewalt gibt es kaum noch Hemmschwellen.

Einer der zwei verletzten Feuerwehrmänner des Silvesterangriffs in Salzgitter-Thiede konnte vergangenen Donnerstag aus dem Krankenhaus entlassen werden. Seine Brüche werden vermutlich erst in Monaten verheilt sein. Den Angriff in Thiede bezeichnete die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft mit Sitz in Solingen in einer Pressemitteilung kurz nach Neujahr als den bundesweit „dramatischsten Fall“ der Silvesternacht.

Zwar seien auch in Duisburg, im Saarland, in Dortmund und in weiteren Städten Übergriffe gemeldet worden – etwa das Werfen von Böllern in einen Rettungswagen –doch keiner habe diese Qualität erreicht. Als Reaktion auf die „zunehmende Gewalt gegen Rettungskräfte und Polizei“, startete die Gewerkschaft zum Jahreswechsel die Kampagne „Respekt? Ja – Bitte!“. In einem emotionalen Video berichten Feuerwehrmänner und -frauen von Angriffen und Beleidigungen während ihrer Einsätze. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) unterstützt den Appell: „Wer unsere Feuerwehren behindert, handelt nicht nur respektlos, sondern gefährdet das Leben von Menschen“, warnt sie in dem Video.

„Wer Feuerwehren behindert, gefährdet Menschenleben.“
„Wer Feuerwehren behindert, gefährdet Menschenleben.“ © Hannelore Kraft, im Video der Kampagne „Respekt? Ja – Bitte!“

Auch in unserer Region bestätigen Polizei und Feuerwehr zum Teil die zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Rettungskräften und Beamten. So sagt der Leiter der Feuerwehr Braunschweig, Michael Hanne, dass grundsätzlich eine „gewisse Verrohung“ zu merken wäre. Die Braunschweiger Polizei verzeichnet zudem einen Anstieg gefährlicher Körperverletzungen gegenüber Polizisten. So gab es laut Polizeisprecher Wolfgang Klages 13 solcher Fälle von Januar bis August 2015, im gleichen Zeitraum in 2016 waren es 19. Zugleich gebe es einen leichten Rückgang bei den leichten Körperverletzungen: von 79 auf 70 Fälle. Außerdem stellt Klages fest: „Es gibt häufiger keine Hemmschwelle mehr. Wer schon am Boden liegt, wird noch einmal getreten.“ – Es war besonders die Äußerung „Der lebt ja noch“, die in der Salzgitter-Silvesternacht gefallen sein soll, die empörte.

Auch das Deutsche Rote Kreuz Peine berichtet auf Nachfrage, dass der „Respekt vor der Aufgabe und Arbeit der Einsatzkräfte in den vergangenen Jahren“ zunehmend abgenommen habe. Dr. Gert Hobbensiefken, Chefarzt im Helios-Klinikum in Gifhorn und ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes Gifhorn, verzeichnet den gleichen Trend. „Gegen Rettungskräfte nimmt die Gewalt zu“, sagte er jüngst im Kreis-Feuerschutz-Ausschuss. Hobbensiefken beobachtet eine Zunahme in den vergangenen fünf bis sechs Jahren. „Das ist wohl eine Schieflage in unserer Gesamtkultur“, meint der Chefarzt, „offenbar sozialisieren wir unseren Nachwuchs nicht mehr genügend.“ Ingo Schäfer, Vorsitzender der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft, bereitet diese Entwicklung Sorge. Er sagt: „Bei Vorfällen wie dem in Thiede ist es kein Wunder, dass unsere Freiwilligen Feuerwehren keinen Nachwuchs finden.“