Washington. Pakistan, Kasachstan, England und jetzt China – der künftige US-Präsident bricht diplomatische Tabus und irritiert die Welt.

Bevor amerikanische Präsidenten mit ihresgleichen telefonieren, wird „Foggy Bottom“ konsultiert. Das Außenministerium, gelegen in einer manchmal vernebelten Gegend Washingtons, kennt die heiklen Themen und die Empfindlichkeiten des diplomatischen Protokolls. Umso größer war dort das Entsetzen, als Donald Trump jetzt mit einem Fingerstreich fast 40 Jahre lang praktizierte Zurückhaltung aufgab und plötzlich mit Taiwan sprach. Genauer: mit Staatsoberhaupt Tsai Ing-Wen. Seit 1979, seit Washington seine Botschaft in Taiwan schloss und der damalige Präsident Jimmy Carter damit offiziell China als Herrscher über die Insel anerkannte, hat es das nicht gegeben. Der Fall hat das Zeug zum Skandal.

US-Zeitungen und TV-Sender berichteten über den Tabubruch. Verbunden mit der Frage, ob Peking Trumps Aktion als das werten wird, was es aus Sicht von Diplomaten ist: „ein echter Affront“. Die Machthaber in Peking halten Taiwan für eine Provinz auf Abwegen. Taiwan sieht sich als unabhängige Demokratie.

Von einem Versehen Trumps, der keine Erfahrung in Regierungsgeschäften hat, redet niemand. Eher von einer „gefährlichen Provokation“ an die Adresse des Landes, das der designierte Obama-Nachfolger bereits im Wahlkampf als großen Gegenspieler ausgemacht hat. „China bringt uns um“, rief Trump. Und meinte das wirtschaftliche Gewicht des Riesen in Fernost. Das Weiße Haus distanzierte sich umgehend von Trumps Alleingang. „Wir bleiben streng unserer Ein-China-Politik verpflichtet“, sagte eine Sprecherin. Trump selber verhöhnte seine Kritiker auf Twitter. Tenor: Taiwans Präsidentin habe ihm nur zum Wahlsieg gratulieren wollen. „Interessant, dass Amerika USA Taiwan Militärausrüstung im Milliardenwert verkauft, ich aber keinen Glückwunschanruf annehmen soll.“ Nur die halbe Wahrheit: Das Telefonat war bereits vor der Wahl arrangiert worden, bestätigten Trump-Mitarbeiter. Die Reaktion Pekings ließ nicht auf sich warten: Taiwan sei ein „untrennbarer Teil des chinesischen Hoheitsgebietes“.

Erst vor kurzem hatte Trump durch ein Telefonat mit dem pakistanischen Ministerpräsidenten Nawaz Sharif Stirnrunzeln ausgelöst. Das Land, Atommacht und bitterarmer Vielvölkerstaat, beherbergte nicht nur Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden. Auch die Kommando-Ebenen der Taliban und anderer Terrornetzwerke, die den USA im Nachbarland Afghanistan seit 2001 das Leben schwer machen, suchen hier Schutz. Obama hat in seinen beiden Amtszeiten einen Besuch in Islamabad strikt vermieden. Trump dagegen lobte Sharif über den grünen Klee.

„Als Präsident darf sich Donald Trump nicht länger leisten, irritierende Signale zu senden und damit Missverständnisse auszulösen“, sagen Experten der Denkfabrik Brookings. Genau das aber macht Trump seit Tagen. Und wie es scheint, mit Wonne.

Erst erwies er dem seit 25 Jahren autokratisch regierenden Präsidenten der früheren Sowjet-Republik Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, am Telefon die Referenz. Später lud er den philippinischen Staatschef Rodrigo Duterte, der Obama als „Hurensohn“ bezeichnet und öffentlich zur Lynchjustiz an Drogendealern aufruft, zum Staatsbesuch ein. Zuvor hatte Trump die Londoner Regierung mit dem unerbetenen Hinweis verstimmt, Brexit-Befürworter Nigel Farage, ein Bewunderer Trumps, habe das richtige Format für den Job des britischen Botschafters in Amerika.