Berlin. Verkehrsminister Dobrindt (CSU) einigt sich mit der EU-Kommission auf eine PKW-Maut. Damit ist der Streit beigelegt, die Maut kann kommen.

null

Unser Leser Hans-Werner Siebenborn fragt:

Wird durch die nun von der EU abgesegnete Maut ein so großer Verwaltungsaufwand installiert, dass unterm Strich zu wenig herauskommt?

Die Antwort recherchierten Philipp Neumann, Knut Pries und Jens Gräber

Für Alexander Dobrindt war dieser Donnerstag ein besonderer Tag: Selten dürfte ein CSU-Politiker einen Erfolg so genossen haben, wie der Bundesverkehrsminister gestern. Die PKW-Maut, der Wahlkampfhit seiner Partei aus der vergangenen Bundestagswahl, kann Wirklichkeit werden. Dobrindt hat sich mit der EU-Kommission auf Nachbesserungen an der deutschen PKW-Maut geeinigt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

„Die kleinen Leute mit den älteren Autos müssen wieder bluten. Umweltpolitisch richtig wäre es, Bus- und Bahnfahrten günstiger zu machen.“
„Die kleinen Leute mit den älteren Autos müssen wieder bluten. Umweltpolitisch richtig wäre es, Bus- und Bahnfahrten günstiger zu machen.“ © Bianca Schmidtke, Salzgitter, hat ein 8 Jahre altes Auto

Wie viel Geld bringt die PKW-Maut?

Das ist die spannende Frage, die sich nicht nur unser Leser stellt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) macht zur Bedingung für die Einführung einer PKW-Maut, dass sie überhaupt nennenswerte Mehreinnahmen bringt.

„Man sollte nicht nur die Maut, sondern Autos ganz abschaffen. Dass bei der Maut zwischen Aus- und Inländern unterschieden wird, finde ich nicht gut.“
„Man sollte nicht nur die Maut, sondern Autos ganz abschaffen. Dass bei der Maut zwischen Aus- und Inländern unterschieden wird, finde ich nicht gut.“ © Martin Grünheit, Berlin, hat kein Auto und keinen Führerschein

Das Verkehrsministerium kalkuliert mit „rund zwei Milliarden Euro in einer Wahlperiode“. Das lässt vermuten, dass es pro Jahr rund 500 Millionen Euro sind. Die Formulierung legt aber nahe, dass es zunächst weniger ist und später vielleicht mehr. Eingeplant waren bisher tatsächlich 500 Millionen Euro. Dass Dobrindts Beamte nun trotz mehr Steuererleichterungen bei der Summe bleiben, begründen sie mit „weiter gestiegenem Verkehrsaufkommen ausländischer Fahrzeuge“.

Tatsächlich ist aber die konkrete Zahl einreisender ausländischer PKW nicht bekannt, wie aus einer wissenschaftlichen Überprüfung der geschätzten Mauteinnahmen im Auftrag des Verkehrsministeriums hervorgeht. Die Zahl, von der alle weiteren Berechnungen abhängen, kann lediglich aus verschiedenen vorliegenden Statistiken hochgerechnet werden, etwa aus den Fahrleistungen ausländischer PKW auf deutschen Autobahnen. Es bleibt eine Schätzung – wenn die Wissenschaftler auch zu dem Ergebnis kommen, dass die Prognosen des Verkehrsministeriums vernünftig sind.

„Ich habe nichts gegen die Maut, Wenn Fahren mit umweltfreundlicheren Autos belohnt wird, fördert das diese neuen Technologien.“
„Ich habe nichts gegen die Maut, Wenn Fahren mit umweltfreundlicheren Autos belohnt wird, fördert das diese neuen Technologien.“ © Ibrahim El-Bialy, Frankfurt, hat ein Auto, das ein Jahr alt ist

Kommt die PKW-Maut jetzt sicher?

CDU, CSU und SPD haben die Maut in ihrem Koalitionsvertrag vor drei Jahren vereinbart. Sie werden nun alles tun, damit der Kompromiss mit der EU-Kommission auch gelten kann. Sie werden also alle betroffenen Gesetze ändern. Trotzdem: Bis zur Bundestagswahl wird definitiv keine Maut erhoben. Minister Dobrindt hat selbst gesagt, dass dies frühestens in einem Jahr der Fall sei. Dann aber ist eine neue Bundesregierung im Amt. Ob sie an der Maut festhalten wird, ist unklar. Es spricht aber vieles dafür.

„Von der Maut halte ich nichts. Anderen Ländern gegenüber wäre es zwar gerechtfertigt, aber der bürokratische Aufwand ist viel zu hoch.“
„Von der Maut halte ich nichts. Anderen Ländern gegenüber wäre es zwar gerechtfertigt, aber der bürokratische Aufwand ist viel zu hoch.“ © Helga Kämmer, Braunschweig, hat ein 7 Jahre altes Auto

Wer zahlt die Maut?

Alexander Dobrindts Plan war und ist, dass alle Autofahrer die PKW-Maut zahlen. Wer ein Auto fährt, das in Deutschland zugelassen ist, bekommt die Maut automatisch mit der KFZ-Steuer verrechnet. Er muss sich um nichts kümmern. Wer ein Auto (oder Wohnmobil) mit ausländischem Kennzeichen fährt, muss extra zahlen, wenn er auf einer deutschen Autobahn fährt. Die Höhe der Maut errechnet sich aus der Größe des Motors (Hubraum) und seinem Schadstoffausstoß. Ausländische Autofahrer müssen die Maut vor der Fahrt nach Deutschland bezahlen. Das soll elektronisch und über das Internet passieren. Es gibt also keinen Aufkleber auf dem Auto, sondern nur eine Quittung für den Kauf einer digitalen Vignette.

Was hatte die EU-Kommission an der Maut auszusetzen?

Die EU-Kommission hatte zwei Kritikpunkte an der PKW-Maut. Erstens: Ausländer werden diskriminiert, weil deutsche Autofahrer sie auf den Cent genau über die KFZ-Steuer erstattet bekommen sollten, die Ausländer aber nicht. Zweitens: Die Kurzzeittarife, die von Ausländern genutzt werden, sind im Verhältnis zum Jahrespreis zu teuer. Beides soll nun anders werden. Deutsche Autofahrer, die sehr saubere Autos fahren (Euro-6-Norm), bekommen mehr KFZ-Steuer erstattet als sie Maut zahlen. Insgesamt sind das 100 Millionen Euro. Und: Die günstigste Zehn-Tages-Maut soll nur noch 2,50 Euro statt fünf Euro kosten. Dafür soll die teuerste 20 Euro statt bisher 15 Euro kosten. Gleichzeitig wird die Staffelung der Maut nach Hubraum und Schadstoff enger: Aus drei Maut-Stufen werden fünf. Das gilt auch für den Jahrestarif, der bei maximal 130 Euro bleibt und nicht teurer wird.

Unser Leser David Widmayer schreibt: Die technischen Mittel, um die Fahrzeuge zu erfassen, sind bedenklich. Mehr Überwachung?

Tatsächlich ist nach Auskunft des Verkehrsministeriums eine „elektronische Vignette“ geplant, die an das Kennzeichen des Autos geknüpft ist. Die Kontrolle erfolgt zumindest auch über eine automatisierte Erfassung der Kennzeichen, allerdings nur stichprobenartig. Die Bilder sollten aber nur für die Kontrolle der Maut verwendet werden dürfen, also etwa nicht bei der Fahndung nach Straftätern genutzt werden. Hat der Besitzer die Maut bezahlt, soll das Bild des Fahrzeuges sofort nach der Prüfung gelöscht werden.

Strenge Vorgaben, mit denen die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff dennoch nicht ganz zufrieden ist. Sie lässt mitteilen, sie habe sich für die Erhebung der PKW-Maut in Form einer Papiervignette eingesetzt. So hätten überhaupt keine personenbezogenen Daten der Mautpflichtigen erhoben werden müssen.

Wie geht es weiter?

Dobrindt muss sein Mautgesetz ändern. Gleichzeitig muss Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Gesetz für die KFZ-Steuer ändern. Bundestag und Bundesrat müssen beides beschließen. Das wird erst im Frühjahr passieren. Dann erst will die EU-Kommission ihre Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zurückziehen. Dann erst kann das Kraftfahrtbundesamt mit dem Aufbau eines „Infrastrukturabgaberegisters“ starten, in dem alle Autos, für die Maut gezahlt wird, erfasst werden. Dann kann auch erst die Ausschreibung für den Betrieb des Mautsystems starten. Dieses Vergabeverfahren wird etwa ein Jahr dauern.

Wie reagieren die anderen EU-Länder?

Für Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) ist auch der Kompromiss „diskriminierend“ für Ausländer, wenngleich dies nun etwas „verschleiert“ werde. Er werde sich mit den Niederlanden, Belgien und Polen abstimmen und eventuell vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen.

Wirtschaftsprofessor Mathias Erlei von der TU Clausthal fürchtet, dass Dobrindts Vorgehen zu einer flächendeckenden Maut in allen EU-Ländern führt. Auf diesem Feld könnte es zu einer europaweiten Aufrüstung kommen. „Warum sollte ein Land Deutsche noch umsonst fahren lassen?“