Braunschweig. Ticket-Portale treiben die Kartenpreise in die Höhe. Unter den Anhängern gibt es aber große Solidarität – und manchen Glücksmoment.

Vor der Geschäftsstelle hatten sich lange Schlangen campierender Fans gebildet. Sie alle hatten versucht, noch eine Eintrittskarte für das heiß ersehnte Derby zu ergattern. Am 19. Oktober vermeldete Eintracht Braunschweig: Das Heimspiel gegen Hannover 96 ist restlos ausverkauft.

Doch was tun, wenn man beim Vorverkauf leer ausgegangen ist? Aufgeben? Für die meisten keine Option. Also müssen andere Wege gefunden werden, doch noch irgendwie an eine Eintrittskarte zu kommen. Eine Möglichkeit: Die offizielle Ticketbörse von Eintracht Braunschweig. Dort steht: Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 – zurzeit kein Angebot. Gut, dann muss es anders gehen. Vielleicht über die Online-Ticket-Plattform Viagogo? Dort gibt es immerhin Annoncen. Bis zu 264,30 Euro soll dort ein Ticket für das Niedersachsen-Derby kosten. Das günstigste Inserat: 101,32 Euro für einen Stehplatz. Gesalzene Preise also. Unter Fans sind Verkaufs-Portale wie Viagogo mehr als verpönt. Für überteuerte Offerten auf Ebay gilt das genauso. Auch dort werden Karten für das Spiel angeboten – weit über dem Originalpreis.

Das widerspricht dem Moralverständnis der meisten Anhänger. Niemand soll sich an den Tickets für den Club der Wahl bereichern. Aber: „Angebot und Nachfrage. Wenn nicht einige so doof wären und denen Hunderte in den Rachen schmissen, gäbe es dieses Problem nicht“, schreibt jemand in einem Internet-Forum. Eintracht Braunschweig hat nun sogar einen offiziellen Aufruf gestartet. Überteuerte Ticketangebote sollen dem Verein mitgeteilt werden. Die Fans helfen also bei der Marktregulierung.

Auch ein beliebter Weg bei der Kartenbeschaffung: Bekannte kontaktieren, ob sie nicht jemanden kennen, der doch noch ein Ticket übrig hat. Am besten jemanden mit Beziehungen zum Verein. „Wir haben mit dem Ticketing eigentlich nichts zu tun“, berichtet Olaf Kraus vom Fanprojekt Braunschweig und fügt an: „Trotzdem bekommen wir oft Anfragen. Zum Derby haben die sich mehr als verdoppelt. Das können wir natürlich auch verstehen.“

Vielleicht klappt es ja über Facebook mit dem Ticketerwerb. In einer Ticketbörse für Eintracht-Fans werden die Karten im Normalfall zum Originalpreis abgegeben. Als kleiner Obolus springt für den Verkäufer vielleicht eine Bratwurst oder ein Bier im Stadion raus. Der letzte Strohhalm also. Nun ist die Seite aber von Gesuchen überschwemmt. Manch einen scheint der Rummel um die Derby-Tickets und die überhöhten Preise soweit zu treiben, dass er sich in Satire versucht. So werden kurzerhand imaginäre Karten verlost. Die faire Ziehung unter den Interessenten würde der eigene Goldhamster übernehmen. Damit nicht getrickst werden kann.

Blöd nur für solche Fans, die das Spiel unbedingt im Stadion sehen wollen und ernsthaft nach Karten suchen. Einige stören sich an dem Sarkasmus – und denken sich lieber etwas anderes aus. „Ich habe selbst schon Aktionen von Fans gesehen, die Karten verschenkt haben. Die haben Interessierte dazu aufgerufen, ihre Gründe aufzuschreiben, weshalb sie die Karte haben möchten. Derjenige mit der kreativsten Antwort wurde dann ausgewählt“, sagt Kraus.

Etwas ähnliches dachte sich auch Andrea B. Sie hatte noch ein Ticket für das Derby übrig – und hat es einfach weiterverschenkt. „Meine Familie und ich haben Dauerkarten. Wir sind also auf jeden Fall beim Spiel dabei“, sagt sie. „Mir hat dann jemand ein weiteres Ticket geschenkt. Und ich dachte, ich tue jemandem etwas Gutes.“ Das wertvolle Geschenk hat sie in der Facebook-Ticketbörse angeboten. Der erste Interessent sollte den Zuschlag bekommen. Die Interessenbekundung eines 25-Jährigen ließ nur wenige Sekunden auf sich warten.

Und Andrea B. hielt ihr Wort. Sie vereinbarte ein Treffen mit dem glücklichen Gewinner ihrer Aktion. „Als er dann auf mich zukam, machte er sein Portemonnaie auf und fragte: ‚Was willst du denn für die Karte haben‘“, berichtet Andrea B. Der Abnehmer war sich seines Glücks also noch gar nicht in vollem Umfang bewusst. „Ich habe ihn dann angeschaut und ihm gesagt: ‚Pass auf, ich habe die Karte selbst geschenkt bekommen – und ich schenke sie jetzt dir.‘ Er ist dann vor Freude einen halben Meter in die Luft gesprungen.“

Selbst wollte sich die Schenkerin nicht am Derby bereichern – anders als viele andere. Sie hatte nämlich schon einmal ähnliches Glück – und zwar ebenfalls beim Spiel Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96. Damals hat sie von einem anderen Fan eine Karte zum Originalpreis bekommen und sich sehr über die Ehrlichkeit gefreut. Andrea B.: „Ich dachte jetzt, ich mache das genauso.“