Braunschweig. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) stößt bei Apothekern auf Unverständnis. Auf dem Land sei die Versorgung in Gefahr.

Unser Leser, der sich Querdenker nennt, schreibt auf unseren Internetseiten:

Wenn im ländlichen Raum auch die Apotheken ausgestorben sind und der Patient letztlich nur bei Online-Bestellung das Medikament voll erstattet bekommt, ist der Vorteil wieder weg.

Dazu recherchierte Christina Lohner

Ganz so düster wie unser Leser sehen es die Apotheker der Region noch nicht. Mit Schließungen rechnen sie aber sehr wohl, wenn die Bundesregierung jetzt nicht gegensteuert. „Es geht ums Überleben der deutschen Apotheke“, sagt Roland Bohlmann, Inhaber der Hagenmarkt-Apotheke in Braunschweig. Er und seine Kollegen könnten das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) kaum glauben.

Der hat entschieden, dass die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente in Deutschland gegen EU-Recht verstößt. Thorsten Stoye, Inhaber der Aller-Apotheke in Gifhorn, findet es „katastrophal, dass der EuGH den freien Warenverkehr über den Gesundheitsschutz stellt“.

Deutsche Apotheken dürfen nur einheitlich vorgegebene Zuschläge auf die Herstellerpreise erheben, wodurch ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel überall dasselbe kostet. Werden ausländische Versandapotheken nun wieder davon befreit, dürften sie besonders die chronisch Kranken mit niedrigeren Preisen locken, fürchten Stoye und seine Kollegen. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, sei aber gerade für Apotheken auf dem Land eine Mischkalkulation aus der Versorgung chronisch Kranker und in Akutfällen nötig. Denn Letztere ist teuer für die Apotheker. Gerade in Gifhorn, einem der größten Kreise im Flächenland Niedersachsen, könnte es laut Stoye ansonsten eng werden für manchen Apotheker. Für die Kunden würden damit die Wege weiter – wer ein Medikament akut braucht, dem hilft kein Online-Versand.

Die Apotheker betonen ihren Versorgungsauftrag. Vor Ort beraten sie die Patienten nicht nur im Einzelfall, sondern betreuen sie langfristig. „Wir wissen, welche Medikamente unsere Kunden nehmen – und welche nicht dazu passen“, sagt Bohlmann. Er schätzt, dass 25 bis 35 Prozent der Apotheken schließen könnten, wenn die Preisbindung nur für die deutschen gelten würde.

„Wir sehen jetzt unverzüglichen Handlungsbedarf für die Bundesregierung und den Gesetzgeber“, sagte Berend Groeneveld, Vorstandschef des Landesapothekerverbandes Niedersachsen. In Stoyes Augen wäre es eine einfache Lösung, den Versandhandel für rezeptpflichtige Arzneimittel zu verbieten. „Das wäre auch mit europäischem Recht vereinbar.“