Berlin. . Vorsicht Taschendiebe: Die Zahl der Diebstähle in Bahnhöfen und Zügen ist dramatisch angestiegen. Offenbar fehlen Polizisten.

Wohnungseinbrüche in Deutschland

Wie die Bundespolizei unserer Zeitung am Montag bestätigte, wurden 2015 rund 44.800 Taschen- und Gepäckdiebstähle in Zügen und Bahnhöfen registriert – eine Zunahme um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bereits von 2013 auf 2014 war ein Plus von 20 Prozent bei solchen Diebstählen registriert worden.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagte unserer Zeitung, sehr häufig steckten professionelle Banden aus Osteuropa hinter den Taten. Die Kriminellen hätten leichtes Spiel, weil auf den Bahnhöfen weniger Polizisten eingesetzt würden. Auch andere Formen der Diebstahlskriminalität registriert die Polizei immer öfter: 2015 nahm die Zahl der Wohnungseinbrüche um fast 10 Prozent zu, die der Ladendiebstähle um 7 Prozent.

GdP-Chef Malchow beklagte, bei Diebstählen würden zu oft Verfahren eingestellt, auch weil die Staatsanwaltschaften und Gerichte überlastet seien. Die Bundespolizei warnt nachdrücklich vor den Tricks der Taschendiebe: So lenke ein Täter das Opfer ab, der andere greife das Portemonnaie. Fahrgäste sollten Wertgegenstände eng am Körper tragen.

Auch in unserer Region nahm in den vergangenen Jahren die Zahl der Wohnungseinbrüche zu. 2015 waren es 18 Prozent mehr als 2014. „In den ersten sechs Monaten 2016 gab es aber dafür weniger Einbrüche als im ersten Halbjahr 2015“, sagt Rainer Raschke, Sprecher der Polizei-Direktion in Braunschweig, die für unsere gesamte Region zuständig ist. Ob es im gesamten Jahr weniger Einbrüche geben wird, sei noch unklar. „Die dunklen Wintermonate, in denen mehr eingebrochen wird, stehen uns noch bevor“, sagt Raschke.

„Im manchen Fällen sind die Täter sehr gut organisiert“, erklärt Sven-Marco Claus, Sprecher der Polizei in Wolfsburg, das Vorgehen der Einbrecher. „Bei einer Serie von Kellereinbrüchen im August kamen die Täter von außerhalb“, sagt Claus. Gezielt hätten sie sich Wohnhäuser in verschiedenen Gebieten in Wolfsburg herausgesucht, um wenig Aufmerksamkeit zu erregen.

In Braunschweig dagegen beobachtet die Polizei seit ungefähr drei Jahren, dass es immer mehr Diebe auf Fahrräder abgesehen hätten. „Dabei sind es selten spontane Diebstähle“, sagt Wolfgang Klages von der Braunschweiger Polizei.

„Gerade werden viele Damenräder geklaut und in den ehemaligen Ostblock verkauft.“ Wer auf sein Fahrrad Acht geben möchte, solle es nicht nur immer gut anschließen, sondern auch bei der Polizei registrieren lassen. „Nur dann haben wir eine Chance, es dem Besitzer wieder zurückzugeben, wenn wir es bei Dieben sichergestellt haben“, sagt Klages.

Unser Leser Eckart Sander aus Salzgitter meint:

Es kommen immer mehr Banden aus Ost- und Südeuropa zu uns.

Das Thema recherchierten Christian Kerl, Karsten Kammholz und Daniel Kamphaus

Ein Moment der Ablenkung genügt, damit die beiden Taschendiebe zuschlagen können: Ein Täter stellt sich auf der Rolltreppe im Bahnhof hinter den Reisenden, der andere Täter vor ihn. Plötzlich bleibt der Vordere stehen, erzeugt einen Stau, der Mann hinter ihm läuft schimpfend auf. In diesem Moment greift der Komplize zu, stiehlt Wertsachen aus der Tasche des Opfers.

Vor dem „Rolltreppen-Trick“ und anderen üblen Methoden der Taschendiebe warnt die Bundespolizei schon länger – aber vergeblich: Die Zahl der Taschen- und Gepäckdiebstähle in Zügen und Bahnhöfen nimmt nach einer neuen Statistik dramatisch zu. Innerhalb von zwei Jahren registrierte die Bundespolizei einen Anstieg dieser Straftaten um 45 Prozent, wie die Behörde unserer Zeitung bestätigte. Und auch sonst schlagen Diebe in Deutschland immer häufiger zu: Die Zahl der Wohnungseinbrüche steigt ebenso rasant wie die der Ladendiebstähle – nur die niedrige Aufklärungsquote steigt nicht. Deutschland, das Land der Diebe?

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagte dieser Zeitung: „Wenn auf den Bahnhöfen weniger Bundespolizisten unterwegs sind, weil sie anderswo eingesetzt werden, dann haben Kriminelle leichtes Spiel“. Malchow macht eine alarmierende Rechnung auf: „Es fehlen heute jeden Tag 20 000 Polizisten auf den Straßen.“

Warum nehmen Einbrüche zu?

„Gerade hier zeigt sich die Zunahme reisender Tätergruppen aus Südost- und Osteuropa“, sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und bestätigt damit die Vermutung unseres Lesers. Die Chefs dieser organisierten Bandenkriminalität sitzen in Georgien, auf dem Balkan, in Russland – und sind nur schwer zu fassen.

Auch GdP-Chef Malchow sagt: „Wir haben es sehr häufig mit Banden aus Osteuropa zu tun. Die nutzen die Freizügigkeit und unsere gute Infrastruktur, um in Tagesfahrten etwa aus Polen Wohnungseinbrüche in Deutschland zu begehen. Aber auch die Gelegenheiten werden mehr: Es gibt eine immer höhere Zahl von Haushalten, in denen tagsüber niemand anwesend ist.

Zudem sind viele Haushalte heute mit hochwertigen, aber leicht zu transportierenden Konsumgütern ausgestattet: Smartphones, Tablets oder Digitalkameras sind klein, kompakt und teuer – ideal für Diebe und Hehler.

Wie viele Täter sind Ausländer?

Bei Diebstahlskriminalität spielen Ausländer eine große Rolle, wenn es überhaupt Erkenntnisse über die Täter gibt. Knapp 38 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen bei Diebstählen waren 2015 Ausländer – vor allem aus Serbien, Rumänien, der Türkei und Albanien. Bei Taschendiebstählen liegt der Ausländeranteil sogar bei knapp 76 Prozent.

Wie sicher ist meine Wohnung?

2015 wurden bundesweit 167 136 Wohnungseinbrüche registriert, fast 10 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Zahlen nehmen seit 2006 kontinuierlich zu, das Risiko in Großstädten wie Berlin und Hamburg ist deutlich größer als auf dem Land. Und aufgeklärt wird nur jeder sechste Einbruch, in Großstädten noch weniger. Deshalb ist inzwischen auch die Politik alarmiert.

Was kann ich gegen Einbruch tun?

Nachrüsten. Verriegelungsanlagen und die Sicherung von Fenstern oder Türen können Täter abschrecken. Über 40 Prozent der Einbruchsversuche werden inzwischen abgebrochen. „Das zeigt, dass passiver Schutz hilft“, sagt de Maizière. Die Bundesregierung fördert solche Investitionen über die Staatsbank KfW mit bis zu 1500 Euro – die Nachfrage ist so groß, dass die Mittel für 2016 bereits aufgebraucht sind. Eine andere Abschreckung für Diebe gibt es meist umsonst: Aufmerksame Nachbarn.

Wird in Läden mehr gestohlen?

Ja, 2015 nahm die Zahl der erfassten Ladendiebstähle um 7 Prozent auf 391 000 Fälle zu. Der Einzelhandel klagt über einen Anstieg vor allem durch gewerbsmäßige Bandendiebstähle. Früher klauten oft Gelegenheitstäter, aber die verschärften Sicherheitsmaßnahmen im Handel sind zunehmend nur durch organisierte Tätergruppen zu überwinden – die Banden kommen aus Georgien, vom Balkan und Nordafrika.

Was tut die Bundesregierung?

Sie hat das Problem erkannt. Das Förderprogramm zum Schutz gegen Einbrüche ist ein Beispiel, die Aufstockung der Bundespolizei um 3000 Stellen ein anderes. Union und SPD wollen die Sicherheitsbehörden weiter ausbauen und auch für mehr Polizeipräsenz sorgen.

Aber die Politik verändere erst jetzt ihre Sicht auf das Thema, kritisiert GdP-Chef Malchow: „Wenn die Politik sich heute für mehr Personal entscheidet, wird das die Polizei bei den üblichen Verfahren erst in vier Jahren erhalten“, sagt er. Malchow beklagt auch, bei Diebstählen würden zu oft Verfahren eingestellt – auch weil Staatsanwaltschaften und Gerichte überlastet seien.

Nehmen Taschendiebstähle zu?

Solche Straftaten werden vor allem auf Bahnhöfen und in Zügen immer öfter begangen. Dort stieg 2015 die Zahl der Taschen- und Handgepäckdiebstähle um satte 25 Prozent auf 44 800 Fälle – nachdem die Bundespolizei schon 2014 eine Zunahme um fast 20 Prozent registriert hatte. GdP-Chef Malchow sagt: „Wenn die Kriminellen bandenmäßig organisiert sind, wird es für die Polizei noch schwerer, die Täter zu fassen.“

Aber auch insgesamt nahm die Zahl der Taschendiebstähle vergangenes Jahr um immerhin sieben Prozent auf 168 000 Straftaten zu – die große Mehrzahl der Täter sind Ausländer.

Wie kann ich mich schützen?

Die Bundespolizei gibt auf ihrer Internetseite Tipps und Hinweise. Sie empfiehlt etwa, Geld, Kreditkarten, Papiere und andere Wertsachen immer eng am Körper zu tragen. Man solle nur so viel Bargeld mitführen wie nötig und mit dem Geld nicht offen hantieren. Keinesfalls sollte man die Wertsachen in Außentaschen aufbewahren, Hand- und Umhängetaschen sollten mit dem Verschluss zum Körper hin getragen werden. Grundsätzlich gelte: Immer Körperkontakt zum Handgepäck halten.

Auf keinen Fall Jacken mit Wertgegenständen darin an die Garderoben oder über Stuhllehnen hängen. Die Aussicht, dass das Diebesgut wieder auftaucht, ist gering – die Aufklärungsquote bei Taschendiebstahl ist mit 5,9 Prozent so gering wie bei keiner anderen Straftat.

Was ist mit anderen Diebstählen?

Die Diebstahlskriminalität insgesamt nahm im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent auf 2,48 Millionen Taten zu. Bei einzelnen Delikten ist der Anstieg aber höher – bei Wohnungseinbrüchen etwa oder Ladendiebstahl. Der Diebstahl von Fahrrädern war dagegen zuletzt deutschlandweit leicht rückläufig, der von Autos stagniert. Beide Straftaten wurden 2015 aber jeweils rund 330 000-mal registriert, das Niveau ist also hoch.