Braunschweig. Die Umwelthilfe lässt den Autobauer nicht zur Ruhe kommen. Neben einem Zafira-Rückruf fordert sie den Entzug der Typ-Zulassung.

Unser Leser Thomas Wienschierz bemerkt auf unseren Facebookseiten:

Hauptsache VW wird an den Pranger gestellt und mit Dreck beworfen. Bei allen anderen passiert nichts. Gerechtigkeit ist was anderes.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

„Ein Diesel-PKW mit mindestens vier ,defeat devices’ muss die Typ-Genehmigung entzogen bekommen.“
„Ein Diesel-PKW mit mindestens vier ,defeat devices’ muss die Typ-Genehmigung entzogen bekommen.“ © Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, in seinem Brief an Minister Dobrindt

Für einen wie Jürgen Resch wurde vermutlich der Begriff Quälgeist erfunden. Opel, weiteren Autobauern und dem Bundesverkehrsministerium muss der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe mit seinen Abgastests, Enthüllungen und Forderungen ein Dorn im Auge sein. Laut Resch ist der Abgas-Skandal längst kein VW-Phänomen mehr. Er sei ein Branchen-Skandal.

Neben VW sieht Resch in Deutschland die größten Diesel-Probleme bei Opel. Das würden eigene Abgastests, die die Umwelthilfe zusammen mit der Uni Bern durchgeführt hat, zeigen. Das zeigten auch Recherchen zusammen mit dem „Spiegel“ und „Monitor“. Bis zu elfmal mehr Stickoxid als erlaubt stößt demnach der Diesel-Familienwagen Opel Zafira aus. Ähnlich schlecht schneidet auch das Mittelklassemodell Insignia ab. Die Recherche habe ergeben, dass die Software die Abgaseinrichtungen in den Dieselaggregaten nicht nur bei bestimmten Temperaturen, sondern auch in anderen Fahrsituationen abschalte, so Resch.

Umwelthilfe: Verkehrsministerium und Opel betreiben Mauschelei

Dennoch verzichtet Bundesverkehrsminister Alexander Do-brindt (CSU) bisher auf die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Typ-Zulassung und die Anordnung eines amtlichen Rückrufs für die betroffenen Fahrzeuge. Resch forderte dies Ende Juli noch einmal eindringlich in einem Brief an Dobrindt. „Ein Diesel-PKW mit mindestens vier ,defeat devices’ muss die Typ-Genehmigung entzogen bekommen“, heißt es da. Der Zafira verfüge nur in fünf bis zehn Prozent der Betriebszeit über eine funktionierende Abgasreinigung, so die Umwelthilfe. Im großen Rest der Zeit greife eine der vier illegalen Abschalteinrichtungen.

Resch stößt sauer auf, dass Dobrindt gegen Fiat weit weniger zimperlich vorgeht. Brüssel muss aus Sicht Dobrindts Untersuchungen zu möglichen Abgas-Manipulationen beim italienischen Autobauer veranlassen. „Die EU-Kommission hat jetzt die Verantwortung, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden“, sagte Dobrindt am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Sie müsse dafür sorgen, dass die Zulassungsbehörde in Italien Autos von Fiat untersucht. Das Ministerium vertritt nach Tests des Kraftfahrtbundesamtes die Auffassung, Diesel-Modelle von Fiat stießen mit Hilfe „unzulässiger“ Abschalteinrichtungen deutlich zu viel schädliche Abgase aus.

Die Antwort auf den Brief von Resch überließ Dobrindt übrigens der beauftragten Großkanzlei Oppenhoff & Partner aus Köln. Der Briefkopf mit den beteiligten Partnern der Kanzlei ist zwar beeindruckend groß, die Ausführungen im Antwortschreiben vom

10. August sind dafür umso knapper. Nach einer kurzen Einleitung heißt es lediglich: „In Beantwortung dieses Schreibens werden wir nach Rücksprache mit der Mandantin auf Sie zurückkommen.“ Dass Dobrindts Ressort nun schon für die Korrespondenz mit der Umwelthilfe eine Kanzlei beauftragt, wertet Resch folgendermaßen: „Die werden nervös.“

Opel: Unsere Motoren erfüllen die gesetzlichen Vorschriften

Die Deutsche Umwelthilfe bezichtigt Dobrindt und Opel der „Mauschelei“. Sie beantragte die Veröffentlichung der Gesprächsprotokolle von Opel-Vorstand Karl-Thomas Neumann mit Minister Dobrindt. Mit am Tisch saß vor wenigen Wochen potente Verstärkung: Hessens Ex-Ministerpräsident Roland Koch. Neumann nahm Koch mit nach Berlin, weil dieser nicht nur Jurist ist, sondern weiß, wie Politiker ticken.

Resch kritisiert diese Treffen als „konspirativ“. Er moniert, dass Dobrindt gleichzeitig verweigere, Gespräche mit Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen wie der Umwelthilfe anzusetzen.

Dobrindts Ressort forderte von Opel inzwischen eine technische und juristische Erklärung. Die lieferte Opel. Das 500-Seitenwerk werde derzeit ausgewertet, hieß es am Freitag aus dem Bundesverkehrsministerium. Die Ergebnisse würden der Öffentlichkeit vorgestellt. Wann das so weit ist, stehe noch nicht fest. Laut „Spiegel“ hat ein vom Verkehrsministerium beauftragter Gutachter längst die unzulässigen Abschalteinrichtungen bestätigt.

Opel selbst ist sich nach außen hin keiner Schuld bewusst. Ein Sprecher verwies am Freitag auf eine Stellungnahme aus dem Mai. Diese habe immer noch Gültigkeit. Damals präsentierte die Umwelthilfe ihre Recherchen über die vier vermeintlichen illegalen Abschalteinrichtungen. In der Stellungnahme weist Opel die Vorwürfe rigoros zurück: „Die Deutsche Umwelthilfe, ‚Monitor‘ und ‚Spiegel‘ erwecken den Eindruck, sie hätten neue illegale Abschaltvorrichtungen gefunden. Diese Anschuldigungen sind falsch! Es gilt nach wie vor: Wir bei Opel setzen keine illegale Software ein. Unsere Motoren erfüllen die gesetzlichen Vorschriften.“ Die Anschuldigungen würden auf irreführenden Vereinfachungen und Fehlinterpretationen der komplexen Zusammenhänge eines modernen Diesel-Abgasreinigungssystems basieren.

Klarheit wird wohl erst der Bericht des Ministeriums bringen. Den wird Resch genau lesen.