Braunschweig. Das Gas ist ein Hoffnungsträger für Mobilität und Energiewende. Es hat aber nicht nur Vorteile.

Unser Leser Uwe Wippich aus Schöningen fragt:

Wasserstoff hat als Energieträger viele Vorteile. Wo aber liegen seine Nachteile?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Welche Energie in Wasserstoff steckt, zeigt ein beliebtes Experiment aus dem Chemie-Unterricht. Da wird auf die Entstehung von Wasserstoff-Gas bei einer Reaktion gern mit Hilfe einer Flamme geprüft. Das „Plopp“ der Knallgas-Probe zeigt die Reaktion des Wasserstoffs mit dem Sauerstoff der Luft an. Dabei wird Energie in Form einer kleinen Explosion frei, und es entsteht Wasser. Das gleiche, nur „kalt“, also ohne Explosion, läuft auch in einer Brennstoffzelle ab.

Diese Reaktion lässt sich umdrehen. Bei der Elektrolyse liefert eine Stromquelle die Energie, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Der Wasserstoff kann als Energiespeicher dienen. „Power to Gas“ wird das genannt: Statt bei strahlendem Sonnenstein und steifer Brise Windräder abzustellen und Nachbarländer zu bezahlen, überschüssigen Strom abzunehmen, könnte Wasserstoff erzeugt werden. Immerhin enthält ein Kilogramm Wasserstoff fast dreimal so viel Energie wie ein Kilogramm Benzin.

Allerdings ist Wasserstoff gewöhnlich gasförmig und hat daher eine deutlich geringere Energiedichte als flüssiges und damit dichteres Benzin. Als Vergleich bietet sich somit eher Erdgas an, dessen Energiedichte bei nicht einmal einem Zehntel von der des Wasserstoffs liegt.

Außerdem verfügt Deutschland über ein gut ausgebautes, 443 000 Kilometer Leitungen umfassendes Erdgasnetz mit 47 riesigen unterirdischen Tanks. Die fassen Gas, das Deutschland drei Monate lang mit Energie versorgen könnte. Deutschlands Pumpspeicherkraftwerke könnten zusammen gerade mal den Strombedarf für 30 Minuten decken.

Sind die Speicher für die Energiewende also eigentlich schon längst vorhanden? Müsste lediglich Windstrom in Wasserstoff umgewandelt und dieser ins Gasnetz eingespeist werden?

Ganz so einfach ist es nicht. „Der Wasserstoff-Anteil im Gasnetz muss bei unter zehn Prozent gehalten werden“, sagt Dr. Stefan Sarge, Leiter der Abteilung Kalorische Größen bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Für höhere Gehalte seien die Komponenten des Netzes nicht freigegeben, unter anderem weil der flüchtige Wasserstoff in viele Materialen eindringen und diese spröde machen kann. „Das gilt zum Beispiel für eisenhaltigen Stahl“, sagt Sarge. An Erdgastankstellen dürfe der Wasserstoffgehalt wegen der Stahltanks der Autos sogar nur zwei Prozent betragen.

Das größte Problem seien aber die Kosten: „Die Erzeugung ist einfach nicht wirtschaftlich“, erklärt Sarge, trotz eines Wirkungsgrads von bis zu 80 Prozent. Der Investitionsaufwand für flächendeckende Elektrolyse-Systeme würde sich wohl nur rechnen, wenn diese durchgehend in Betrieb wären und nicht nur an einigen Tagen im Jahr.

Das bestätigt auch die Leiterin des Instituts für Energie- und Systemverfahrenstechnik der TU Braunschweig, Professor Ulrike Krewer: Die Erzeugung mittels Elektrolyse sei deutlich teurer als die übliche Gewinnung von Wasserstoff aus Erdgas, bei der aber CO2 entsteht.

Für die Mobilität sei die geringe Energiedichte des Gases ein Problem. Und flüssig wird Wasserstoff erst bei minus 200 Grad Celsius. Es bedarf 20 Prozent der im Wasserstoff gespeicherten Energie, um diese Temperatur zu erreichen. Bei der Speicherung unter hohem Druck sind es immer noch 12 Prozent. Deshalb arbeitet das Institut von Professor Krewer an einem Verfahren zur Nutzung von Ammoniak als Speichermedium. „Wasserstoff reagiert mit Luft-Stickstoff CO2-neutral zu Ammoniak. Der ist schon bei minus zehn Grad flüssig.“ Über eine katalytische Reaktion ließe sich der Wasserstoff später wieder freisetzen.

An der PTB wiederum wird erforscht, wie die Gas-Infrastruktur für höhere Wasserstoff-Gehalte umgerüstet werden kann. Auf dem Weg zum Massen-Energiespeicher muss Wasserstoff also trotz eines vielversprechenden Starts noch einige Hürden nehmen.