Hannover. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags soll Versäumnisse aufarbeiten. Dies fordert die schwarz-gelbe Opposition.

Unsere Leserin Elke Klug aus Schöningen fragt:

Das große Problem ist doch wohl, dass die Länder mehr zusammenarbeiten müssen. Passiert hier endlich was?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Dass sich Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder besser austauschen müssen, gilt spätestens seit dem 11. September 2001 als dringend geboten.

Zur Bekämpfung des Islamischen Terrorismus etwa gibt es ein „Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum“ (GTAZ). Wie der Informationsfluss wirklich ist, auch innerhalb von Landesbehörden, könnte bei einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Thema sein. Der Ausschuss soll diesen Mittwoch im Landtag eingesetzt werden.

Was ist überhaupt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Landtags?

Ein Ausschuss von Landtagsabgeordneten, der einen bestimmten Untersuchungsauftrag abarbeiten soll. Ein U-Ausschuss wird jeweils vom Landesparlament, also von den Abgeordneten selbst, eingesetzt. Laut Landesverfassung reicht dafür ein Fünftel der Abgeordneten aus.

Was soll der „Islam-Ausschuss“ leisten?

CDU und FDP haben den U-Ausschuss beantragt, um mögliche Versäumnisse von Landesregierung und Landesbehörden im Zusammenhang mit Islamismus und Terror herauszuarbeiten. Die Koalition betont, dass die Probleme nicht erst unter Rot-Grün entstanden seien. So habe der Syrien-Krieg im März 2011 begonnen. Sie will deshalb die Zeit der CDU/FDP-Regierung nicht ausblenden.

„Es spricht vieles dafür, dass SPD und Grüne die Sicherheitsbehörden gezielt ausbremsen“, erklärte der CDU-Abgeordnete Jens Nacke die politische Stoßrichtung. „Wir wollen wissen, wie es in der Praxis läuft“, beschrieb der FDP-Abgeordnete Stefan Birkner das Erkenntnisinteresse des Ausschusses – zum Beispiel, wenn ein Schulleiter Hinweise auf eine Radikalisierung von Schülern bekomme. „Die gute Arbeit der Sicherheitsbehörden eignet sich nicht für politische Spielchen der Opposition“, erklärte dagegen der SPD-Abgeordnete Grant Hendrik Tonne.

Gibt es Anhaltspunkte für Versäumnisse und Fehler?

Ja. In Wolfsburg zum Beispiel entwickelte sich unter den Augen der Behörden eine gefährliche Islamisten-Szene.

Vor dem Messerangriff auf einen Bundespolizisten am Hauptbahnhof in Hannover hatten die Behörden Hinweise auf die Radikalisierung der 15-Jährigen, die nach der Tat festgenommen wurde. Dieser Vorfall in Hannover gab laut CDU und FDP den letzten Anstoß, einen U-Ausschuss zu beantragen. Es wird auch nach „Islamismus-Hochburgen“ im Land gefragt. Vieles dazu lässt sich aber bereits in Verfassungsschutzberichten oder anderen Dokumenten nachlesen.

Wie arbeitet der Ausschuss?

Er lädt Zeugen und Sachverständige und wertet Akten aus. Am Ende werden die Erkenntnisse in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Dabei sind „Minderheitenberichte“ üblich, wenn sich die Fraktionen nicht auf einen gemeinsamen Bericht einigen. Die Beratungen über das Vorgehen des Ausschusses sind immer nichtöffentlich. Die „Beweisaufnahme“ mit Zeugen und Sachverständigen ist prinzipiell öffentlich. Die Öffentlichkeit kann aber, wie vor Gericht, ausgeschlossen werden. Es gibt hohe Sicherheitsanforderungen, zum Beispiel einen abhörsicheren Raum. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt, der polizeiliche Staatsschutz müsse nun für den U-Ausschuss Akten wälzen, statt Islamismus zu bekämpfen.

Wer tritt als Zeuge oder Sachverständiger auf?

Die Opposition hat bereits angekündigt, auch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden laden zu wollen, also zum Beispiel Polizisten und Verfassungsschützer. Denkbar sind auch Sozialarbeiter, Schulleiter oder weitere Personen aus dem Umfeld von Islamisten. Ganz sicher werden politisch Verantwortliche geladen, so Innenminister Boris Pistorius (SPD).

SPD und Grüne wiederum könnten kontern und zum Beispiel Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) vorladen.

Müssen die Zeugen überhaupt aussagen? Immerhin kann es um hochvertrauliche oder auch sehr private Informationen gehen ...

Der Ausschuss kann bei Befragungen bei Bedarf „Nichtöffentlichkeit“ beschließen. Es ist auch denkbar, dass Zeugen Antworten unter Hinweis auf Vertraulichkeit verweigern. Außerdem laufen Ermittlungen des Generalbundesanwalts. Auch darauf könnten sich Zeugen berufen.

Dient der Ausschuss nicht nur dazu, die rot-grüne Landesregierung vorzuführen?

Auch. U-Ausschüsse sind auch ein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Dies schließt einen seriösen Aufklärungsbedarf allerdings nicht aus. Der Islamismus-Ausschuss wird der 23. U-Ausschuss in Niedersachsen sein. Weitere U-Ausschüsse waren unter anderem: Transrapid, „Celler Loch“, Glogowski-Rücktritt, V-Mann Mauss.

Gibt es keine Alternativen zu einem U-Ausschuss?

Keine gleichwertigen. In ständigen Ausschüssen des Landtags, etwa im Innenausschuss oder dem Verfassungsschutz-Ausschuss, können jederzeit „Unterrichtungen“ durch die Landesregierung verlangt werden. Außerdem kann das Thema Islamismus in allen Facetten jederzeit auf die Tagesordnung von Sitzungen gesetzt werden. Es gibt auch die Möglichkeit von Abgeordneten-Anfragen an die Landesregierung. Mit den Befugnissen eines U-Ausschusses ist das alles aber nicht zu vergleichen. Er arbeitet nach den Regeln der Strafprozessordnung. Zeugen sind zur Wahrheit verpflichtet. Und auch die politische Durchschlagskraft eines U-Ausschusses ist weit höher.