Berlin. Die Kanzlerin steht nicht zur Wahl, doch über ihre Flüchtlingspolitik wird abgestimmt. Der CDU droht ein Debakel, die SPD kann hoffen.

Das mit dem Waterloo fällt der CDU jetzt ein wenig auf die Füße. Als das Lied von Abba vor vier Wochen beim Wahlkampfauftakt der Christdemokraten mit Parteichefin Angela Merkel in Magdeburg gespielt wurde, glaubte wohl niemand an ein böses Omen. Die CDU lag in den Umfragen für die drei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am 13. März vorn. Abbas schwungvoller Liebessong in Anlehnung an Napoleons letzte, dramatisch verlorene, Schlacht bei Waterloo sollte nur die Stimmung anheizen.

Doch nun könnte die CDU im Südwesten ihr Waterloo erleben. Das ZDF-„Politbarometer“ prognostiziert dem Landesverband von Spitzenkandidat Guido Wolf 29 Prozent – das schlechteste Ergebnis der CDU dort waren 36 Prozent im Jahr 1952. Die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann könnten stärkste Kraft werden. Und in Rheinland-Pfalz liegt erstmals seit Monaten die SPD von Ministerpräsidentin Malu Dreyer in den Umfragen vor der CDU von Julia Klöckner. Nur Sachsen-Anhalts CDU mit Ministerpräsident Reiner Haseloff hält ihr Niveau als stärkste Partei.

Die Koalitionsfrage ist in den drei Ländern aber durch den Aufstieg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) völlig offen. So kann es in Baden-Württemberg passieren, dass die beiden Volksparteien CDU und SPD rechnerisch zusammen keine Mehrheit mehr haben – für einen westdeutschen Flächenstaat eine Zäsur. Umgekehrt träumen die Grünen, in die Liga von CDU und SPD aufzusteigen. Würde sich die CDU in Stuttgart als Juniorpartner von den Grünen regieren lassen? Wolf schließt das aus.

Werden CDU-Schlappen in den Ländern dann der Kanzlerin angelastet? Hat Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik den Wahlkämpfern geschadet? In der Bundes-CDU legt man sich für mögliche Niederlagen diese Analyse zurecht: Wolf und Klöckner gingen auf Distanz zu Merkel und forderten einen härteren Kurs, um den Flüchtlingszuzug einzudämmen. Ihre Konkurrenten Kretschmann und Dreyer stützen Merkels Kurs.

Wenn die Werte der CDU dann sinken und die der Grünen und SPD steigen, sei das der Preis für die Abkehr von der (eigenen) Kanzlerin – die sich dadurch bestätigt fühlen könne. Es sind die ersten Wahlen seit der Flüchtlingskrise und insofern ein erstes Stimmungsbarometer.

Klöckner würde aber anders als Wolf trotz einer Niederlage ihren Stammplatz in der kleinen Riege der CDU-Hoffnungsträger behalten. Potenzial und Popularität der 43-Jährigen, die einige als spätere Merkel-Nachfolgerin sehen, wären nicht beschädigt – „sie kann noch alles mögliche werden“, heißt es auch am Freitag wieder in Berlin. Merkel verteidigte bis zuletzt ihr Mantra gegen eine nationale und für eine europäische Lösung. Die faktische Abriegelung der Balkanroute kritisierte sie auch noch bei den letzten Auftritten vor den Wahlen – obwohl die Flüchtlingszahlen damit ja auch in Deutschland zurückgehen. Genau das könnte Merkels Kritiker, allen voran CSU-Chef Horst Seehofer, besänftigen. Gleich, wie die Wahlen ausgehen und wie groß der Unmut ist – an Merkel wird keiner rütteln. Die Partei sieht keine Alternative zu der 61-Jährigen.

Das gleiche gilt im Moment für SPD-Chef Sigmar Gabriel. Endet die Aufholjagd von Dreyer mit dem Wahlsieg, kommt Gabriel mit einem dunkelblauen Auge davon. Er könnte das Dreyer-Wunder, die lange scheinbar aussichtslos zweistellig hinter der CDU lag, als vermeintlichen Trend verkaufen.

Wer in der Flüchtlingskrise Haltung zeigt, der Kanzlerin nicht in den Rücken fällt (wie Klöckner und Wolf) und Probleme bei der Integration benennt (wie Gabriel es für sich beansprucht), wird belohnt. Aber Vorsicht: In der Malu-Euphorie, die die ganze SPD aus ihrer Lethargie reißt, wird gern ausgeblendet, dass es fast allein Dreyers Glaubwürdigkeit zu verdanken sein dürfte, wenn die SPD knapp an einem Totalschaden vorbeischrammt.

Dieser droht in Sachsen-Anhalt. Dort könnte die SPD hinter die AfD abstürzen und aus der Regierung fliegen. In Baden-Württemberg wiederum muss die SPD fürchten, ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 23,1 Prozent (2011) noch einmal deutlich zu unterbieten. Die bittere Lehre: Als Juniorpartner kommt die SPD unter die Räder. Und wenn der Wählerhimmel für die SPD einstürzt, wird dann auch der Vorsitzende begraben? Gabriel will nicht zurücktreten. Der Druck auf ihn würde wachsen. Seine internen Gegner kalkulieren kühl, dass ein Wechsel an der Parteispitze zum jetzigen Zeitpunkt strategisch nichts bringen würde. dpa