Braunschweig. Die AfD will die Parteienlandschaft ändern. Das sagt Landes-Chef Hampel. Die Flüchtlingsfrage würde er auch mit Kriegsschiffen lösen.

Was will die AfD? Chefredakteur Armin Maus und Redakteur Andre Dolle fühlten Armin Paul Hampel auf den Zahn. Hampel ist Landesvorsitzender der „Alternative für Deutschland“. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am kommenden Wochenende schickt sich die Partei an, zweistellige Ergebnisse einzufahren.

Viele Menschen haben am Sonntag interessiert das Merkel-Interview zur Flüchtlingsfrage im Fernsehen gesehen. Was nehmen Sie mit?

Die Kanzlerin hält stur an ihrem Kurs fest, meint immer noch: „Wir schaffen das“. Dabei betont sie gebetsmühlenartig, dass die Flüchtlingskrise nur gesamteuropäisch gelöst werden kann. Dummerweise sehen das ihre Partner in Europa anders. Da gibt es Solidaritätsadressen nur noch aus Luxemburg.

Ihre Partei-Chefin Petry bietet als Lösung an, Flüchtlinge an der Grenze notfalls mit Waffen zu vertreiben. Damit hat die AfD ein Tabu gebrochen. Wie stehen Sie dazu?

Die Frage stellt sich für mich nicht. An der Grenze wird nicht geschossen. Basta!

Diese Frage stellt sich Frau Petry aber offenbar schon.

Da muss ich meine Partei-Chefin in Schutz nehmen. Sie hat das auf die Gesetzeslage bezogen. Die gibt den Waffengebrauch an Grenzen allerdings nur für den Fall her, wenn Gewalt angewendet wird.

Aus dem Bundesvorstand, dem Sie angehören, hieß es, Petrys Vorstoß sei eine „Riesendummheit“. War das eine Dummheit aus rein taktischer Sicht so kurz vor drei Landtagswahlen, weil es die wahre Gesinnung der AfD zeigt? Oder waren Sie ernsthaft verstört?

Aus dem Bundesvorstand zitiere ich nicht. Ich glaube, dass Frau Petry etwas gesagt hat, das in juristischer Hinsicht richtig ist, wenn Gewalt gegenüber Polizisten angewendet wird. Aber noch mal, die Frage stellt sich gar nicht.

Das wollte Frau Petry doch bewusst anders verstanden wissen – und zwar so, wie es bei den Menschen auch angekommen ist.

Wie gesagt: Sie hat auf der rein juristischen Ebene argumentiert. Keiner will den Waffengebrauch gegen Flüchtlinge an Grenzen. Aber, bei einem Besuch in Passau bestätigte mir die Bundespolizei, sie erfasse sämtliche Flüchtlinge an der Grenze als ungesetzliche Einreise. Das wird in der öffentlichen Debatte leider überhaupt nicht thematisiert.

Was ist das Ungesetzliche daran?

Wir verstoßen gegen Schengen, gegen Dublin I bis III und gegen Artikel 16a, Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Dort steht, dass Asylbewerber sich nicht auf das Asylrecht beziehen dürfen, wenn sie aus sicheren Drittstaaten einreisen. Das machen Asylbewerber aber, bevor sie in Deutschland einreisen. Wieso greifen die Medien das überhaupt nicht auf? Hier findet tagtäglich ein Verfassungsbruch durch die Bundesregierung statt, wie zwei Ex-Verfassungsrichter unlängst bestätigten, und die Presse schweigt.

Das sind Flüchtlinge, die kommen ja nicht mit dem Charterflug, landen auf dem Münchner Flughafen und zeigen ihr Visum vor.

Das ist der Knackpunkt.

AfD-Vize Gauland hat Merkels Flüchtlingspolitik als Geschenk für die AfD bezeichnet. Welche Lösung bietet die AfD denn selbst an?

Es gab noch kaum einen Konflikt, bei dem Menschen 8000 Kilometer marschiert sind. Menschen flüchten nicht über eine solche Distanz, sie flüchten in die nächst sicheren Räume. Um die kümmern sich seit über 60 Jahren die Vereinten Nationen. Warum kürzt der Westen denen gerade jetzt in Syrien und im Irak die Gelder? Im Irak erhielten Flüchtlinge bis vor kurzem noch 30 Dollar pro Kopf und Monat. Jetzt zwischen 7 und 9 Dollar. Das müssen wir ändern.

Was sonst?

Wir müssen das Fluchtrisiko in den betroffenen Gebieten eindämmen. Wir brauchen Schutzzonen in Syrien und im Irak. Militärisch gesichert und gedeckt durch ein robustes Mandat der Uno. Dazu eine ordentliche Versorgung der betroffenen Menschen. Das ist besser, als die Türken mit dem Flüchtlingsproblem alleinzulassen, respektive mit drei Milliarden Euro zu beruhigen. Was machen wir denn, wenn noch einmal drei Millionen in die Türkei flüchten?

Und was ist mit den vielen Flüchtlingen, die per Boot an der Küste Griechenlands landen?

Wir haben 100 Boote der EU-Grenzschutzagentur Frontex, wir haben die Marine der Nato-Staaten. Diese Boote müssen vor der nordafrikanischen Küste postiert werden, um dort die Flüchtlingsboote aufzubringen und zurückzuschicken. Dann sterben keine Menschen im Mittelmeer, das ist ja wohl das Wichtigste. Nur die Schlepper würde ich festnehmen und in Lampedusa aburteilen.

Das klingt einfach. Was soll mit den Flüchtlingen passieren, die doch eigentlich in Europa Schutz suchen?

Das ist nicht einfach. Aber mit Hilfe der Vereinten Nationen sollte uns das gelingen.

Wie?

Das gilt es auszuhandeln. Ich wundere mich, warum die Uno in der Flüchtlingsfrage nicht gestärkt wird. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird ja leider kaum eingebunden.

Und dann sitzen die Flüchtlinge in großen Camps in Nordafrika fest und werden von UNHCR, WHO und anderen betreut.

Es kommt dann darauf an, die gesamte Entwicklungspolitik zu korrigieren. Meine afrikanischen Freunde sagen mir: Ihr müsst die Entwicklungshilfe stoppen. Die landet doch nur in den Taschen der Potentaten und erreicht die Bevölkerung nicht. Afrika ist lange genug ausgebeutet worden. Es braucht einen fairen Anteil am internationalen Markt.

Im Inland wird der gesellschaftliche Frieden massiv gestört. Brandsätze fliegen auf Flüchtlingsheime, Journalisten werden angegriffen. Welchen Anteil hat die AfD am Klima?

Wir haben keinen Anteil daran. Es ist kein einziges AfD-Mitglied auch nur in den Verdacht geraten, an einem Brandanschlag beteiligt gewesen zu sein.

Sie sind aber für das geistige Klima im Land mit verantwortlich.

Wir? Verantwortlich ist die Bundesregierung, die Exekutive in diesem Land. Das kann man doch uns nicht anlasten.

Welche AfD wollen Sie: Die Partei, die den Wählern die CDU der Kohl-Jahre zurückbringt? Oder die Partei, die auch Scharfmacher vereint?

Die politische Gesamtlage hat sich nach links verschoben. Es gibt keine konservativ-liberale Partei mehr in diesem Land. Selbst die Union ist sozialdemokratisiert. Es gibt einen Freiraum im konservativ-liberalen Milieu. Deshalb sind wir die natürliche Nachfolgepartei der CDU. Inhaltlich haben wir mit ihr nichts mehr gemein. Aber wir stehen für Werte, von den Millionen CDU- und übrigens auch viele FDP-Wähler heute noch überzeugt sind.

Was heißt das? Geht es Ihnen um den Schutz von Ehe und Familie?

Ich sehe keine Alternative zur klassischen Familie, die mich überzeugen könnte.

In Thüringen fallen AfD-Abgeordnete durch Anfragen auf, deren Sinn sich nicht erschließt. So wollte eine AfD-Abgeordnete wissen, wie viele Homo-, Bi- und Transsexuelle im Land leben. Was soll das?

Das Thema wird gigantisch aufgeblasen. Man hat ja den Eindruck, dass 40 oder 50 Prozent der Bevölkerung homosexuell seien. Dabei sind es nur 2 bis 3 Prozent.

Gibt es nicht wichtigere Themen?

Na klar. Die AfD will das Thema nur wieder dort einordnen, wo es hingehört. Ich habe nichts gegen Homosexuelle. Da ihr Anteil aber gering ist, braucht es keine gesetzliche Gleichstellung, also auch keine Homo-Ehe.

Wo steht die AfD sonst?

Wir sind eine kleine Volkspartei. Wir vereinen unterschiedliche Meinungen. Der Bogen spannt sich von Jörg Meuthen in Baden-Württemberg bis zu Björn Höcke in Thüringen. Beide möchte ich in der AfD haben. Wir wollen wieder eine Politik der Fakten, des gesunden Menschenverstandes. Weg von jeder ideologischen oder emotionalen Überfrachtung.

Wo steht die AfD ordnungspolitisch?

Wir haben einen Mangel an Polizisten, vor allem in der Fläche. Wir brauchen einen besseren Datenschutz, Stichwort NSA. Da hätte schon die FDP auf die Barrikaden gehen müssen. Edward Snowden müsste den Friedensnobelpreis erhalten. Wir brauchen keine schärferen Gesetze. Wir müssen sie anwenden. Es hilft die beste Polizei nichts, wenn eine linke Justiz Straftäter laufen lässt.

Das ist eine sehr pauschale Einordnung der Richter in diesem Land.

Mag sein. Aber manchmal kann man über deren Urteile nur mit den Ohren schlackern.

Da kann man durchaus anderer Meinung sein. Was anderes. Unsere Leserin Frau Wolf aus Braunschweig möchte wissen: Was würde Ihre erste politische Maßnahme sein, wenn die AfD in den Landtag einzieht und sogar Koalitionspartner werden würde?

Ach Gott. Wir wollen und müssen erst einmal in der Opposition lernen. Unsere Partei existiert erst seit drei Jahren. Als Opposition können wir mehr Dinge beeinflussen, als viele meinen. Das gilt für das Land wie den Bund. Bei der Kommunalwahl im Herbst werden wir flächendeckend für die Kreistage antreten. Bis in alle Gemeinderäte können wir es mit unseren 1800 Mitgliedern in Niedersachsen noch nicht schaffen.

Aus dem Landesvorstand in Niedersachsen sind erneut zwei Mitglieder ausgetreten. Sie wurden als „Alleinherrscher“ und „Selbstdarsteller“ bezeichnet. Warum kommt die AfD auch nach der Abspaltung der Lucke-Fraktion nicht zur Ruhe?

Das ist so in einer jungen Partei. Wir sind eine Bewegung, die Individualisten vereint. Das Gemeinsame muss mancher noch lernen.

Der niedersächsische Verfassungsschutz sieht keinen Anlass zur Überwachung der AfD, hat sie aber im Auge. Wie gehen Sie damit um?

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Maaßen, hat klargestellt, er lasse sich nicht von anderen Parteien instrumentalisieren. Zudem nehmen wir grundsätzlich keine Mitglieder von NPD und DVU auf. Aber fragen Sie mal CDU, SPD, FDP, ja selbst Grüne, wie viele Ex-NPDler die haben.

Sie waren selbst lange Journalist. Nun sind Sie in einer Partei, die mit dem Begriff „Lügenpresse“ hausieren geht. Wie passt das?

Die Grenzen sind in unserem Beruf leider fließend geworden. Die persönliche Meinung bestimmt die Berichterstattung.

Es geschehen im Journalismus Fehler. Das ist bei Ärzten und Handwerkern aber auch so. Deswegen käme niemand auf die Idee zu sagen, dass alle Handwerker und Ärzte Pfuscher seien. Diese Pauschalisierung kann doch nicht richtig sein.

Stimmt, aber manche Journalisten verstehen sich heute als Teil des Systems, machen sich mit der Politik gemein. Es gilt immer noch der Satz unseres verstorbenen Kollegen Hajo Friedrichs: Mache dich nie mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten.

Eine Redaktion wie unsere ist vor Ort, kann täglich überprüft werden.

ZUR PERSON

Armin Paul Hampel war ein Weltenbummler. Als Journalist bereiste er laut eigener Aussage 100 Länder.

Geboren wurde er 1957 in Bielefeld.

Seine journalistische Karriere startete das einst bekannte TV-Gesicht mit der tiefen Stimme beim Bonner Generalanzeiger. Danach war er für RTL und Sat.1 Korrespondent in Bonn. 1991 wurde er MDR-Nachrichtenchef. Ab 1999 war er ARD-Parlamentskorrespondent in Berlin, dann leitete er bis 2008 das ARD-Studio Südostasien in Neu-Delhi. Er hat vier Kinder, lebt im Kreis Uelzen.

Mitglied der AfD wurde Hampel 2013, Ende desselben Jahres Landeschef in Niedersachsen.

Er weist häufiger darauf hin, dass er Reserveoffizier der Marine ist.

Hampels Eltern waren Flüchtlinge. Sein Vater stammte aus Breslau, die Mutter aus Königsberg. ad