Braunschweig. Laut dem Braunschweiger Palliativmediziner Rainer Prönneke gibt es genug Möglichkeiten, unerträgliches Leid zu lindern.

Wie kann Schwerstkranken geholfen werden, wenn sie aus dem Leben scheiden möchten? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander – nicht nur im Bundestag. Mit Rainer Prönneke, Chefarzt und Palliativmediziner am Marienstift in Braunschweig, sprach Katrin Teschner.

Herr Prönneke, brauchen wir ein neues Gesetz zur Sterbehilfe?

Eine der zentralen Fragen ist doch: Darf ein Arzt einem todkranken Patienten auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin ein Medikament zur Selbsttötung verschreiben?

Die Bundesärztekammer hatte im vorigen Jahr den Landesärztekammern nahegelegt, im Berufsrecht den Passus aufzunehmen, dass Ärzte sich nicht an der Selbsttötung eines Patienten beteiligen. Das niedersächsische Berufsrecht folgt dieser Regelung, es gibt aber Landesärztekammern, die kein striktes Verbot vorsehen. Strafrechtlich bleibt die Beihilfe zum Suizid straffrei außer für Ärzte – je nach Bundesland. Die Ärzte stehen also vor dem Dilemma: Ist das Berufsrecht höher zu werten als das Strafrecht? Klare Regelungen wären also hilfreich.

Im Bundestag werden unterschiedlich strikte Konzepte zur Sterbehilfe diskutiert: vom ausdrücklichen Verbot bis zur Erlaubnis für Ärzte. Für welche Position sind Sie?

Ich bin eindeutig für ein Verbot der ärztlichen „Verordnung“ zur Selbsttötung. Wir haben genügend Möglichkeiten in der Palliativmedizin, unerträgliches Leid zu lindern. Ich finde schon den Begriff Sterbehilfe bei diesem Vorgehen irreführend – letztlich geht es nicht um eine Hilfe beim Sterben, sondern zum (Selbst-) Töten.

Haben Schwerstkranke nicht ein Recht darauf zu bestimmen, wann sie ihrem Leben ein Ende setzen wollen?

Das Recht, über das Ende des Lebens selbst zu bestimmen, kann nicht so weit gehen, dass andere und insbesondere Ärzte zur Tötungshilfe verpflichtet werden. Der Arzt kommt dann in einen moralischen Zugzwang, helfen und lindern zu wollen und Beihilfe zur Tötung leisten zu müssen. Auch gegenüber der Gesellschaft und dem Staat darf es keinen Anspruch und Recht auf Hilfe bei der Selbsttötung geben. Die Solidargemeinschaft sollte gerade bei der Versorgung von Schwerkranken fürsorglich zusammenstehen statt Möglichkeiten anzubieten, sich gegenseitig zu töten.

Aber sollte man die Entscheidung nicht dem Arzt selbst überlassen, ob er einem Menschen beim Suizid helfen will?

Wenn das grundsätzlich erlaubt sein soll, bräuchten wir eine medizinische Indikation, also eine Begründung für eine Behandlung. Doch wie wollen wir festlegen, wo unerträgliches Leid anfängt? Wenn ein Arzt eine lange persönliche Beziehung zu einem Patienten hat, wird er dessen Leid nachvollziehen können und vielleicht in Erkrankungssituationen mit Aussicht auf Besserung geneigt sein, beim Suizid zu helfen. Außerdem könnten das Betroffene für sich in Betracht ziehen oder empfohlen bekommen, die diese Möglichkeit vorher nicht ins Auge gefasst hätten. Ich habe große Sorgen, dass es hier einen Dammbruch gibt.

Ärzte sollen sich grundsätzlich nicht am Töten beteiligen. Das schließt neben Betroffenheit selbstverständlich den Respekt vor Patienten nicht aus, die ihr Leben selbst beendet haben.

Es gibt aber Patienten, die sich nicht mehr selbst töten können und auf humane Weise aus dem Leben scheiden wollen...

Es gibt längst Möglichkeiten der Palliativmedizin, Schwerstkranken in der letzten Lebensphase wirkungsvoll durch eine lindernde Behandlung zu helfen. Es wird immer gesagt, dass auch diese Medizin an Grenzen stößt. Doch in Ausnahmefällen kann man unerträgliches Leid durch einen künstlichen Schlaf beenden. Solche Möglichkeiten der Sterbehilfe müssen wir dringend ausbauen und über die Methoden aufklären. Sie sind viel zu wenig bekannt.

Auch kann man schon in der Patientenverfügung im Vorfeld regeln, wie Ärzte im Notfall vorgehen sollen. Das schließt zum Beispiel ein, welche Methoden der Palliativmedizin in Betracht kommen, ob man im Krankenhaus in jedem Fall lebenserhaltende Maßnahmen wünscht oder Wiederbelebungsmaßnahmen ablehnt. Wir brauchen ein echtes Gesetz zur Hilfe beim Sterben, das uns Menschen eine verlässliche würdevolle Behandlung und Begleitung am Lebensende ermöglicht, keine gesetzlich gesichertes Recht auf Tötungshilfe.