Wolfsburg. Am Dienstag war die Verkehrskonferenz in Wolfsburg Es ging um Verkehrsprojekte in der Region, die schon seit Jahrzehnten in der Diskussion sind.

Unser Leser Jürgen Kirchmann aus Lehre fragt:

Wie soll denn hier auf der A39 wochentags der Verkehr aussehen, wenn der Lückenschluss vollzogen ist, und der mehrspurige Ausbau erst danach begonnen werden soll? Wegen der kürzeren Strecke beziehungsweise ohne Kasseler Berge würden statt der A7 noch mehr Fahrer die A39 nutzen als bisher schon.

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Enak Ferlemann wurde gestern in Wolfsburg bei der Verkehrskonferenz von Oberbürgermeister Klaus Mohrs als „norddeutsche Hoffnung“ im ansonsten CSU-dominierten Bundesverkehrsministerium angekündigt. Der CDU-Staatssekretär aus Cuxhaven erfüllte die Erwartungen. Im Kampf der Regionen um Mittel für Verkehrsprojekte scheint es ganz so, dass unsere Region beim neuen Bundesverkehrswegeplan reichlich bedacht wird. Das stellte Ferlemann in Aussicht. Die Vorzeichen stehen gut, dass mit dem Lückenschluss für die A 39 zeitnah begonnen wird. Auch die Weddeler Schleife soll ihr zweites Gleis erhalten. Tausende von Pendlern in unserer Region würde das täglich erheblich entlasten.

Dabei sind für Wolfsburg und Braunschweig, für die ganze Region, steigende Pendlerzahlen Segen und Fluch zugleich. Sie sind ein Segen, weil sie zeigen: Der Region geht es gut, hier gibt es mehr Arbeitsplätze, nicht zuletzt durch VW. Sie sind aber auch ein Fluch. Wer im Stau steht, wird sich kaum darüber freuen, dass er auf dem Weg zur Arbeit wieder einmal mehr Leidensgenossen hat.

Wenn sie es nicht längst schon wussten, wurde den Gästen, die gestern auf Einladung der Allianz für die Region und der Wolfsburg AG zur Verkehrskonferenz ins Wolfsburger Forum Autovision kamen, schnell klar: Der Region geht es zwar insgesamt wirtschaftlich gut, dadurch droht in Spitzenzeiten in Wolfsburg und Umgebung aber täglich ein Verkehrskollaps. Die Wirtschaft boomt, jetzt muss man die Infrastruktur nachjustieren.

Bernd Osterloh, der VW-Gesamtbetriebsrat, brachte es auf den Punkt: „Zwischen 7 bis 9.30 und 15 bis 18 Uhr geht hier in Wolfsburg auf den Straßen und Schienen gar nichts mehr.“ Osterloh rechnete vor: „Im Jahr 2000 pendelten noch 50 000 Menschen täglich nach Wolfsburg, heute sind es 75 000.“ Die Pendler kommen täglich aus Ostwestfalen, aus Berlin, aus Sachsen-Anhalt, um in Wolfsburg zur Arbeit zu gehen. Meistens bei VW – oder bei einem Zuliefererbetrieb.

Osterloh: „In unserer Region schlägt das industrielle Herz Niedersachsens.“ Nicht nur VW, auch die Salzgitter AG, Alstom, Bosch und Siemens produzieren in unserer Region. Der VW-Betriebsratschef machte klar, was der mächtige Konzern, was die Mitarbeiter sich wünschen: „Alles, was die Region an Verkehrsprojekten weiterbringt, muss auf den Tisch. Wir haben bei VW eindeutige Erwartungen. Es muss schnell zu Lösungen kommen.“ Osterloh nannte vor allem die A 39 und die Weddeler Schleife.

Staatssekretär Ferlemann saß da und hörte sich an, was Osterloh zu sagen hatte. Wie sich später herausstellen sollte, lagen Osterloh und Ferlemann in den meisten Punkten nah beieinander.

Lückenschluss der A 39

Osterloh machte Ferlemann einen Vorschlag: „Ich lade Sie ein, mich morgens auf der A 39 zu begleiten. Schauen Sie sich den Stau, den täglichen Wahnsinn, einmal an. Wir haben dann genügend Zeit, uns zu unterhalten.“ Ob Ferlemann auf die Einladung eingehen wird, wurde nicht beantwortet. Das muss vielleicht auch gar nicht mehr geschehen. Dem Staatssekretär ist sehr wohl bewusst, wie hoch das Verkehrsaufkommen in Wolfsburg und Umgebung mittlerweile ist.

Zwar werden Sanierungen im neuen Bundesverkehrswegeplan Vorrang haben. Neubauten werden nur dann kommen, wenn sie den Verkehr deutlich entlasten. Das gelte vor allem auch im Hinblick auf den Güterverkehr und die Anbindung an die Seehäfen, stellte Ferlemann fest. Der Güterverkehr steige bis 2030 um 70 Prozent an. In all diesen Punkten sorge der Lückenschluss der A 39 für Entlastung. Hinzu komme: „Die A 39 würde wie ein Bypass Engstellen auf der A 7 lösen.“ Das gelte umgekehrt auch. Das sei zur Frage unseres Lesers gesagt.

Ironisch meinte Ferlemann dann: „Für den Lückenschluss fehlt ja nur noch ein kleines Stück.“ Dieses kleine Stück ist rund 100 Kilometer lang.

Unser Leser bemängelt, dass der sechsspurige Ausbau der A 39 bisher keine große Rolle spielt. Geht es nach Osterloh, soll nicht nur der Lückenschluss der A 39 kommen, sondern auch der sechsspurige Ausbau vom Kreuz Königslutter bis Wolfsburg. Auch dieser Ausbau soll so schnell wie möglich kommen. Allerdings ist dieses Projekt von der Landesregierung noch gar nicht für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet worden. Ferlemann: „Wir starten bei Null.“

Der Staatssekretär erklärte aber am Rande der Veranstaltung, dass selbst der Ausbau der A 39 auf sechs Spuren noch bis 2030 machbar ist.

Der Landesbeauftragte für unsere Region, Matthias Wunderling-Weilbier, forderte: „Wir brauchen den großen Wurf für die Region.“ Wirklich gute Lösungen seien nur gemeinsam hinzubekommen. In puncto A 39 wären der Lückenschluss und der Ausbau auf sechs Spuren sicherlich ein großer Wurf.

Acht Spuren auf der A 2

Etwas stiefkindlich wurde gestern die Autobahn 2 behandelt. Lediglich Ferlemann widmete sich der wichtigen Ost-West-Verbindung. Er sagte aufgrund des wachsenden Verkehrsaufkommens: „Wir werden um einen achtspurigen Ausbau der A 2 nicht herumkommen.“ Allerdings gelte das nicht für die komplette Strecke, sondern nur für besonders stark frequentierte Passagen um Hannover und in unserer Region. Wann der Ausbau der A 2 kommen soll, erklärte der Staatssekretär nicht.

Für Entlastung sorgen soll bei der A 2 außerdem die sogenannte Telematik. Die elektronischen Verkehrsleitsysteme, die auf einigen Streckenabschnitten schon im Einsatz sind, um die Verkehrs-Kapazität zu erhöhen, sollen vermehrt Einsatz finden.

Zweites Gleis für Weddeler Schleife

Die rot-grüne Landesregierung will den Schienenverkehr stärken. Zwar betonte Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) immer wieder, wie wichtig ihm der Lückenschluss der A 39 ist. Ein Herzensprojekt ist aber der zweigleisige Ausbau der Weddeler Schleife. Vor allem ist dieses Projekt vergleichsweise günstig und schnell zu realisieren – und verspricht einen großen Effekt für den Schienenverkehr in unserer Region.

Lies‘ Staatssekretärin Daniela Behrens (SPD) zeigte sich gestern erstaunt darüber, dass das zweite Gleis zwischen Braunschweig und Wolfsburg nicht schon längst liegt. Sie sagte: „Uns ist schleierhaft, dass ein fertig geplantes Projekt wie die Weddeler Schleife bisher nicht angegangen wurde. Wir brauchen das zweite Gleis unbedingt – für den Güterverkehr. Für die Pendler in der Region ist es alternativlos.“

Die SPD-Staatssekretärin war sich darin mit ihrem CDU-Kollegen aus dem Bundesverkehrsministerium, dem Niedersachsen Ferlemann, einig.

Ferlemann betonte aber, dass es das zweite Gleis für die Weddeler Schleife nur geben könne, wenn man parallel die Bahnstrecke zwischen Nordstemmen und Elze im Landkreis Hildesheim ausbaue. „Dann haben wir den Effekt, dass der Knotenpunkt Hannover spürbar entlastet wird“, sagte Ferlemann.

BUNDESVERKEHRSWEGEPLAN

Im Bundesverkehrswegeplan werden die wichtigsten Verkehrsprojekte auf Straße, Schiene und Wasserstraße benannt. Diese Planung wird fortgeschrieben, derzeit geht es um den Zeitraum 2015 bis 2030. Das Prozedere ist langwierig: Zuerst benennen die Bundesländer, welche Projekte aus ihrer Sicht mit Bundesmitteln vorrangig verwirklicht werden sollen, diese bekommen dann das Etikett „Vordringlicher Bedarf“.

Es gibt auch den „Vordringlichen Bedarf Plus“. Unter dieser Kategorie sollen der Lückenschluss der Autobahn 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg sowie das zweite Gleis für die Weddeler Schleife fallen. Das stellte Staatssekretär Enak Ferlemann in Aussicht. Der neue Plan soll im Vergleich zu alten Bundesverkehrswegeplänen deutlich entschlackt werden. So haben die Projekte, die aufgenommen werden, eine größere Realisierungschance.

Über den anschließenden Entwurf des Plans beraten die Länder und der Bund, ehe der Bundestag endgültig über die Planung entscheidet.

Im Bundesverkehrswegeplan geht es um Vorhaben, die schon in der Planung sind, aber auch um Projekte, über die bisher erst in Ansätzen nachgedacht wurde – in Niedersachsen beispielsweise eine neue Autobahn zur Entlastung der A2, die durch das Weserbergland verlaufen soll.

Für den neuen Bundesverkehrswegeplan soll bis Ende 2015 eine Prognose über das Verkehrsaufkommen 2030 vorgelegt werden.