Berlin. Möglich sind Änderungen bei der Eigenstromerzeugung der Industrie und der Ausbaugrenze für Land-Windräder.

Im Streit um die Ökostromförderung zeichnen sich erste Korrekturen an den Plänen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ab – auch zum Nutzen regionaler Unternehmen wie der Salzgitter AG. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil stellte in Berlin Änderungen bei der Eigenstromerzeugung der Industrie in Aussicht, um überraschende Kostenbelastungen für Betriebe zu verhindern. Auch bei der Deckelung des Windkraftausbaus an Land gibt es Bewegung: Die Aufrüstung bestehender Windkraftanlagen wird möglicherweise nicht voll auf das Ausbauziel von maximal 2500 Megawatt pro Jahr angerechnet, hieß es nach einem Treffen der Länder-Energieminister mit Gabriel in Berlin.

Bislang sind Unternehmen, die ihren Strom selbst erzeugen, von der Ökostromumlage ausgenommen. Gabriel will die Industrie nun aber mit einem „Energiesoli“ zur Kasse bitten, und zwar stärker, als er anfangs eingeräumt hatte: Überraschend sollen auch schon bestehende Stromproduktionsanlagen belastet werden, anfangs mit einem Cent pro Kilowattstunde, bei steigender Ökostrom-Umlage auch mehr. Die Industrie müsste zunächst eine halbe Milliarde Euro extra im Jahr bezahlen Betriebe, die erst in Zukunft Kraftwerke für ihre Stromversorgung kaufen oder bauen, müssten sogar 5 Cent pro Kilowattstunde zahlen.

Der Peiner Abgeordnete Heil sagte nun für die SPD-Fraktion, es werde eine Differenzierung erwogen: Unternehmen, die durch ihren Produktionsprozess quasi natürlich Strom produzierten, sollten von der Umlage ausgenommen bleiben - davon würde auch die Salzgitter AG profitieren. Die Unternehmen fürchteten eine Kostendynamik, das sei ein Damoklesschwert, sagte Heil.

Gabriel selbst zeigte sich gestern erneut offen für Änderungen an seinem Konzept. Bei einem Treffen Gabriels mit den Länder-Energieministern prallten die unterschiedlichen Positionen aber aufeinander: Mehrere Nord-Länder setzen sich gegen die geplante Ausbaugrenze von 2500 Megawatt pro Jahr für Windkraftanlagen an Land zur Wehr.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) legte gestern nach: Die Festlegung von Ausbauzielen könne nicht funktionieren, „das haben wir schon im Sozialismus erlebt.“ Süddeutsche Länder wollen Einschnitte bei der Biomasse-Förderung nicht hinnehmen, NRW fordert einen besseren Schutz für schon getätigte Investitionen. Als ein erster Kompromiss zeichnete sich bei dem Treffen ab, dass die Aufrüstung bestehender Windkraftanlagen – das sogenannte „Repowering“ – nicht voll auf das Ausbauziel angerechnet wird. Details müsse man jetzt prüfen, sagte Gabriel. Im Bundestag hatte der Minister zuvor erklärt, er wolle berechtigte Interessen in seine Reform einarbeiten. Die Summe der Einzelinteressen aber sei „nicht das Gemeinwohl.“

DER UMLAGE-DSCHUNGEL BEIM STROMPREIS

Ökostrom-Umlage: Macht 21 Prozent des Strompreises aus. Sie ist 2014 auf 6,24 Cent je kwh gestiegen. Gezahlt wird damit die Differenz zwischen dem am Markt für den Strom erzielten Preis und den auf 20 Jahre garantierten festen Vergütungssätzen. Die Förderkosten könnten sich 2014 auf 23,5 Milliarden Euro belaufen . Bei einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden sind rund 250 Euro zu zahlen.

Umlage für Netzentgelt-Rabatte der Industrie (4 Euro im Jahr bei 4000 Kilowattstunden Verbrauch laut dem Vergleichsportal Verivox): Die §19-Umlage musste bereits reformiert werden. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf und auf Druck der EU-Kommission war eine Komplettbefreiung von Netzentgelten für über 200 besonders energieintensive Unternehmen aufgehoben worden. Nun gibt es gestaffelte Rabatte, je nach Verbrauch oder Lastverschiebung in nachfrageschwache Nachtstunden.

Offshore-Umlage (10 Euro): Damit werden Kosten für Verspätungen oder Pannen bei der Netzanbindung von Meer-Windparks abgewälzt.

Mit der Konzessionsabgabe (68 Euro bei 4000 kWh laut Vervivox im Schnitt) werden Städte und Gemeinden unter anderem für die Nutzung von Straßen und Wegen zur Verlegung von Leitungen entlohnt.

Mit der Kraft-Wärme-Kopplungs-Umlage (7 Euro bei 4000 kWh) wird die entsprechende Strom- und Wärmegewinnung in KWK-Anlagen gefördert.dpa