Braunschweig.

Der Blick auf die durchaus sinkende Jugendarbeitslosigkeit kann täuschen. Das ist die zentrale Botschaft der Studie „Hohes Verarmungsrisiko Jugendlicher“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Beruhigt zurücklehnen dürfe sich die Politik keineswegs.

„2012 wurden noch rund 300 000 arbeitslose Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren gezählt, doch auf Hartz IV angewiesen waren mit 534 000 fast doppelt so viele junge Menschen allein in dieser Altersgruppe“, mahnt der DGB-Arbeitsmarktexperte Dr. Wilhelm Adamy. Speziell von den erwähnten 534 000 Hartz-IV-Empfängern sei sogar weniger als die Hälfte arbeitslos. Die andere Hälfte besucht noch die Schule, ist in Ausbildung, hat einen schlecht bezahlten Job oder ist in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme. Adamy: „Eine nicht gerade kleine Minderheit dieser Jugendlichen wächst im Hinterhof der Wohlstandsgesellschaft auf. Längst nicht alle zählen offiziell als arbeitslos.“

Die Hartz-IV-Quote unter Jugendlichen liegt in Großstädten in der Regel höher als im kleinstädtischen und ländlichen Raum. Während sie im Raum Hannover beispielsweise bei 12,3 Prozent liegt, liegt der bundesweite Durchschnitt bei 8,8 Prozent.

Der Bildungssekretär des DGB Region Südostniedersachsen, Hansi Volkmann, erklärt im Gespräch mit unserer Zeitung, dass nun auch zwischen Harz und Heide gegengesteuert werden müsse. Bei der im Juni zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt und der SPD abgehaltenen Sozialkonferenz in Wolfenbüttel, bei der 130 Fachleute aus der Jugendarbeit und -politik teilnahmen, habe es große Zustimmung zum Hamburger Modell gegeben: „Jugendliche müssen ab der 8. Klasse intensiv auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Die Fördergelder müssen in Maßnahmen gebündelt werden, die Jugendliche bis zu einem Berufsabschluss begleiten“, so Volkmann. Nach Hamburg liefen nun auch in Nordrhein-Westfalen entsprechende Pilotprojekte an.

Der DGB setzt sich laut Volkmann außerdem dafür ein, dass für junge Erwachsene ohne Job ein kommunaler Arbeitsmarkt geschaffen wird – die Tätigkeiten sollen sich nicht in Stadtreinigung oder Grünflächenpflege erschöpfen, sondern anspruchsvoller sein. Und sie sollen mit dem Mindestlohn vergütet werden.

Wilhelm Adamy kommt in seiner Auswertung zu der Erkenntnis, dass die schlechten Bildungschancen ein entscheidendes Handicap vieler Jugendlicher sind. Arme Schüler seien an Hauptschulen dreimal öfter zu finden als an anderen Schulen. „Im Sommer 2012 hatten insgesamt 87 Prozent der hilfebedürftigen Jugendlichen (noch) keine abgeschlossene Berufsausbildung.“

Deswegen fordert nun auch der DGB-Bundesvorstand „neue Formen von Arbeiten und Lernen“, um schulmüden Jugendlichen Mut zu machen. „Bei einer Zuweisung in Ein-Euro-Jobs ist ein Scheitern hingegen häufig vorprogrammiert“, erklärt Adamy. Die Jugendlichen müssten vielmehr in Fördermaßnahmen dauerhaft betreut werden, damit auch ihr Ausstieg aus Hartz IV von Dauer sei.

Befragungen im Rahmen der Kinder- und Jugendgesundheitsstudie zeigen laut Adamy, dass Jugendliche, die mit schwierigen Einkommensverhältnissen aufwachsen, gleich mehrfach benachteiligt sind: Zum niedrigen „sozioökonomischen Status der Familie“ kommen zum Beispiel oft eine mangelnde Zuwendung und eine geringe Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hinzu. Die Jugendlichen erleben zudem Ohnmachtserfahrungen, wenn ihre Eltern keinen Arbeitsplatz finden, sowie eine höhere Zahl von mit der Situation einhergehenden Konflikten.

Das Umfeld, in dem Jugendliche leben, ist laut Studie vor diesem Hintergrund von besonderer Bedeutung: Eine gute Schule oder Wohngegend kann andere Benachteiligung kompensieren – fehlen solche sozialen Netze, fällt die Prognose um so schlechter aus.